Als im vergangenen Februar Niko Kovac an die Seitenlinie des BVB beordert wurde, dürften nur die Allerwenigsten schwarzgelben Unterstützer in freudige Ekstase ausgebrochen sein. Nicht, weil der 53-jährige Übungsleiter nicht die nötige Klasse mitbringen würde, um in Dortmund zu bestehen – das bewies er schließlich bereits bei seinen Stationen bei Eintracht Frankfurt sowie beim FC Bayern München. Die Angst ging in Dortmund vielmehr um, weil Kovac für einen eher nüchternen, klar strukturierten Defensivfußball bekannt ist, den er zumindest bei seiner letzten Anstellung in Wolfsburg auch ziemlich eisern durchzog.
Die Fans des BVB hingegen sind seit der Ära Jürgen Klopp das genaue Gegenteil davon gewöhnt. Überfallartiger Konterfußball, direktes One-Touch-Passspiel und aggressives Gegenpressing standen bei Schwarzgelb über Jahre an der Tagesordnung. Dass sich Kovac diesen Werten innerhalb der Kürze der Zeit anpassen könnte, bezweifelten zurecht viele.
Nun, knapp zweieinhalb Monate später, lässt sich sagen, dass der Deutsch-Kroate zu keinem Zeitpunkt auch nur die geringste Absicht hatte, seine persönliche Vorstellung des Fußballs für berauschende Offensivoffenbarungen vergangener Jahre aufzuopfern. Nein, stattdessen versuchte er dem vorhandenen Spielermaterial seine bevorzugten Tugenden aufzudrücken: Kampfgeist, Wille, Aufopferungsbereitschaft und defensive Stabilität.
Schon nach dem beeindruckenden 3:1-Sieg in der Champions League gegen den FC Barcelona unter der Woche war viel über die Entwicklung der Borussia unter Kovac diskutiert worden. Ist sie nun endlich dort angekommen, wo der 53-Jährige sie gerne hätte? Dürfen wir uns nun auf einen neuen, wiedergeborenen BVB gefasst machen?
Kovac: „Sind mit Sicherheit noch nicht da, wo wir hinwollen“
Eine abschließende Antwort darauf gab es auch nach dem 3:2-Erfolg am Sonntagabend gegen die Fohlen aus Gladbach nicht. Freilich, ein weiteres Mal wurde in der Bundesliga ein wichtiger Dreier eingefahren, gleichwohl betonte Kovac aber auch, dass seiner Mannschaft noch eine Menge Arbeit bevorstehe. „Wir müssen noch am Detail arbeiten. Man sieht schon eine Tendenz. Die Richtung stimmt, aber wir sind mit Sicherheit noch nicht da, wo wir hinwollen. Wir müssen unsere Hausarbeiten machen“, erklärte der Dortmunder Coach nach Abpfiff am DAZN-Mikrofon.
Nichtsdestotrotz: Eine grundsätzliche Weiterentwicklung, die sich mittlerweile auch in den Ergebnissen niederschlägt, ist nicht von der Hand zu weisen. Wäre die Partie gegen Gladbach ein Spiel zur Zeit von Kovacs Übernahme gewesen, dann hätte das Ergebnis mit großer Wahrscheinlichkeit anders ausgesehen. Etwa so wie gegen den VfB Stuttgart Anfang Februar, als sich der BVB nach einem frühen Gegentor aus dem Nichts zwar aufbäumte und mit großem Aufwand anlief, jedoch zu einem kritischen Zeitpunkt das zweite Tor kassierte und schließlich die Partie mit 1:2 verlor.
Gegen Gladbach zeigte Dortmund stattdessen nach Itakuras frühem Schocker eine exzellente Reaktion. Innerhalb von nur acht Minuten gelang die Wende. Hohes Pressing, schneller Ballgewinn, direktes Passspiel, Flanke in den Rückraum, Tor – nach diesem Prinzip erzielte der BVB alle drei seiner Tore. Ein Muster war ganz klar zu erkennen.
Noch viel wichtiger als die drei schnellen Tore vor der Pause war aber die Performance der Mannschaft in Hälfte zwei. Bei einer Zwei-Tore-Führung geriet man aufgrund der täuschend verführerischen Sicherheit des Ergebnisses in der jüngeren Vergangenheit nicht selten noch in Bedrängnis. Doch selbst als Kevin Stöger per Foulelfmeter zum 2:3 verkürzte und die Hoffnungen auf eine Gladbacher Punkteentführung nochmal entflammte, geriet der BVB nie wirklich in ernsthafte Gefahr. In einer beinahe ungewohnten Souveränität gelang es den Männern in Schwarzgelb, die drei Punkte in Dortmund zu halten.
Auch Kovac rang das ein Lob ab, wenngleich sich der Coach noch ein wenig mehr Cleverness beim Herunterspielen des Ergebnisses gewünscht hätte: „Du musst hier nicht 4:2 oder 5:2 gewinnen. Es geht darum dieses eine Tor, was du vorne hast, nach Hause zu verteidigen. Ich hätte mir noch ein bisschen mehr Ruhe, ein bisschen mehr Eckfahne gewünscht. Dass wir dort den Ball vielleicht auch mal ein, zwei Minuten halten. Da müssen wir noch ein bisschen üben.“
BVB: Nur noch vier Punkte Rückstand auf Platz vier
In den noch verbleibenden vier Spieltagen kann es für den BVB nun nur noch ein Ziel geben: Die direkte Qualifikation für die Champions League. Auf den dafür geforderten Platz vier hat man nach zehn Punkten aus den vergangenen vier Begegnungen nur noch vier Zähler Rückstand.
„Schauen wir mal“, meinte Kovac auf die Frage, welche Europapokalchancen er sich nach den jüngsten Leistungen nun ausmale: „Wir müssen von Spiel zu Spiel schauen und nicht denken, was in vier Spieltagen ist oder gucken, was die anderen machen.“ Ein Klub wie der BVB habe jedoch die klare Ambition, im höchsten europäischen Wettbewerb vertreten zu sein. „Jeder Einzelne im Stadion, der schwarz-gelb trägt, möchte gerne in der nächsten Saison dort wieder spielen beziehungsweise dort zuschauen.“