„Ich bin der unglücklichste Fahrer der verdammten Welt“: Einem der besten Piloten in der Geschichte der Formel 1 droht ein unwürdiges Karriereende

Dreht man die Uhr exakt zwei Jahre zurück, dann war Fernando Alonso zum damaligen Zeitpunkt so etwas wie das Dark Horse der Formel 1. Kaum hatte der Spanier zur Saison 2023 das Cockpit bei Aston Martin für den sich in den Ruhestand verabschiedeten Sebastian Vettel übernommen, fuhr der bis dato im Mittelfeld herumdümpelnde Traditionsrennstall in British Racing Green plötzlich vorne um Podestplätze und Siege mit.

Alleine in den ersten acht Rennen 2023 stand er sechsmal auf dem Podest (vier dritte und zwei zweite Plätze), nur Dominator Max Verstappen, der mit dem Red Bull das damals deutlich stärkere Auto im Vergleich zu Alonso hatte, konnte ihn im Zaum halten.

Schon zwei Jahre zuvor, als Aston Martin 2021 als Namensgeber des 2018 gegründeten Rennstalls Racing Point in die Formel 1 eingestiegen war, hatte man sich hohe Ziele gesteckt. Im Rahmen eines bis ins kleinste Detail ausgearbeiteten Plans sollte das Team aus dem grauen Niemandsland des Feldes an die Weltspitze geführt werden. In der Folge wurden immense Anstrengungen unternommen, qualifiziertes Personal unter Vertrag zu nehmen, gute Leute wurden reihenweise von der direkten Konkurrenz abgeworben. In fünf Jahren werde man um den Titel kämpfen, kündigte der milliardenschwere Teambesitzer Lawrence Stroll an.

Fünf Jahre später ist jetzt, und von den ambitionierten Plänen, zu einem Superteam zu werden, ist mittlerweile nicht mehr viel übrig. Vor dem Heimrennen Alonsos am Sonntag auf dem Circuit de Catalunya in Barcelona, der ironischerweise exakt den Ort markiert, an dem der Spanier im Jahr 2013 sein bis dato letztes Rennen in der Formel 1 gewann, gehört Aston Martin zu den drei schwächsten Teams im Feld.

Nach acht Rennen ist Alonso einer von nur vier Piloten – wobei Jack Doohan bei Alpine schon in die zweite Reihe zurückgepfiffen wurde – die noch keinen einzigen WM-Punkt einfahren konnten. Selbst wenn vieles richtig zu laufen scheint, etwa wie am vergangenen Wochenende in Monaco, als er lange aussichtsreich in den Punkten lag, findet das Schicksal einen Weg, dem Spanier eins auszuwischen. „Ich bin der unglücklichste Fahrer der verdammten Welt!“, schimpfte er am Funk, nachdem sich der Motor seines Boliden in Rauch aufgelöst hatte. Auch seine dritte Saison mit AM ist damit kein Schritt in Richtung der Weltspitze, in Richtung der McLarens, Red Bulls, Ferraris und Mercedes‘, sie ist eher das Gegenteil.

Alonso setzt mehrmals auf die falschen Pferde

Alonso setzt mehrmals auf die falschen Pferde

Und irgendwie fügt sich diese Phase damit ziemlich gut in die lange Karriere des Fernando Alonso ein, denn mit dem Unglück ist es ja tatsächlich so eine Sache bei ihm. 2005 krönte sich der Spanier in Diensten von Renault im zarten Alter von 24 Jahren zum damals jüngsten F1-Weltmeister aller Zeiten. Ein Jahr darauf gelang ihm das Kunststück gleich noch einmal, weshalb nicht wenig dafür sprach, dass weitere Titel noch folgen könnten.

Heute wissen wir, dass daraus nichts wurde. Noch immer steht Alonso, für viele einer der besten Piloten, den dieser Sport jemals gesehen hat, jemand, der es zu Hochzeiten problemlos mit einem Michael Schumacher, einem Sebastian Vettel und einem Lewis Hamilton aufnehmen konnte, bei für sein Talent und seine Klasse „mickrigen“ zwei Weltmeisterschaften.

Dabei hätte so vieles ganz anders laufen können. 2008 lehnte Alonso nach eigener Aussage ein Angebot von Red Bull ab, bald schon dominierte eben dieser Rennstall dann mit Vettel die Formel 1. 2009 hätte er wohl im Weltmeister-Auto von Brawn GP sitzen können, auch dies hatte er abgelehnt – Brawn wurde danach bekanntermaßen zum Mercedes-Werksteam, das ein paar Jahre später eine der dominantesten Ären aller Zeiten prägte und alles gewann. Alonso dagegen biss sich im Ferrari die Zähne an Vettel aus und setzte dann zweimal auf namhafte, aber letztlich falsche Pferde: McLaren und Alpine – in der Summe waren das sechs verlorene Jahre.

Wie lange fährt Alonso noch in der Formel 1? „Hatte 40 Jahre lang ein Lenkrad in der Hand“

Wie lange fährt Alonso noch in der Formel 1?

Mittlerweile ist Alonso 43 Jahre. Sein Vertrag ist noch bis Ende 2026 datiert, schon länger ist er vor seinen Ex-Teamkollegen Hamilton und Kimi Räikkönen der Pilot mit den meisten Starts in der Königsklasse – und das trotz seiner zweijährigen Abwesenheit zwischen 2018 und 2020. Immer häufiger stellt sich die Frage, wie lange Alonso den Zirkus noch machen möchte, und vor allem, wie lange er es überhaupt noch kann.

„Ich hatte 40 Jahre lang ein Lenkrad in der Hand. Und ich weiß, dass irgendwann der Moment kommt, an dem ich aufhören muss“, erklärte er im Vorfeld des Spanien-GPs. Zwar fühle er sich nach wie vor fit und kompetitiv genug, um mit den besten der Welt mitzuhalten, doch „man muss eben auch spüren, wann der richtige Zeitpunkt gekommen ist. Am Ende des Tages wird mir die Stoppuhr sagen, wann es Zeit ist aufzuhören. Vielleicht ist es irgendwann der Körper, der nicht mehr mitmacht, vielleicht treten Schmerzen auf – das kann alles passieren.“

Man müsse diesen Zeitpunkt allerdings „spüren“, so Alonso. „Den spüre ich im Moment aber noch nicht. Ich steige morgen ins Auto, stehe am Sonntag auf dem Grid – und ich bin einfach glücklich, da zu sein. Ich bin motiviert, fühle mich gut, performe stark. Diese Entscheidung will und werde ich sehr bewusst treffen.“

Und so will der Routinier im kommenden Jahr zum vielleicht letzten Mal noch einmal angreifen. Die Chancen auf einen Turnaround stehen dabei gar nicht schlecht, schließlich geht die Königsklasse mit einem komplett neuen Motorenreglement an den Start. Das wird auch Auswirkungen auf die Autos selbst haben, die im Falle von Aston Martin dann aus der Feder von Staringenieur Adrian Newey stammen werden, den man im vergangenen Jahr von Red Bull abwarb. „Da liegen alle Hoffnungen“, so Alonso.

Alonso: „Wenn ich unglücklich bin, dann will ich mir die anderen Fahrer nicht vorstellen“

Alonso:

Als neutraler Fan kann man nur hoffen, dass ihm das gelingt. Selbst mit zwei Weltmeister-Titeln in der Formel 1, zwei Siegen bei den 24 Stunden von Le-Mans und einem WEC-Titel, die ihn nach eigener Aussagen keinesfalls unglücklich auf seine Laufbahn zurückblicken lassen, fühlt sich die Karriere des 43-Jährigen dennoch irgendwie unvollendet an. „Wenn ich unglücklich bin, dann will ich mir die anderen Fahrer nicht vorstellen“, lachte er im Vorfeld seines Heimrennens.

Die kommende Saison dürfte sein letzter großer Anlauf sein. An ein anschließendes Karriereende, bei dem er in seinem finalen Jahr chancenlos im grauen Niemandsland des Feldes herumdümpelt, darf man nicht denken. Es wäre maximal unwürdig.