Weltschiedsrichter Markus Merk: 63-Jähriger führt Leben als Extremsportler

Als Schiedsrichter hat sich Markus Merk einen großen Namen gemacht. Heute geht der 63-Jährige immer noch als Extremsportler über Grenzen. Inmitten dieses wahnsinnigen Wüstenrennens in der Sahara blickte ein Italiener Markus Merk prüfend ins Gesicht: „Du hast doch damals unser Champions-League-Finale gepfiffen, oder?“, sagte der Fan des AC Mailand . Auch bald 17 Jahre nach seinem Karriereende: Markus Merk bleibt so etwas wie der ewige Schiedsrichter. „Es hört nie auf“, sagt seine Frau Sabine erst seufzend, dann lachend. Dabei führt Merk längst ein Leben als Extremsportler – und das mit 63 Jahren. Vor einigen Wochen hat sich der gebürtige Kaiserslauterer einen Lebenstraum erfüllt. Einen, der ihn über seine Grenzen getrieben hat: Marathon des Sables in Marokko. 250 Kilometer in sieben Tagen. Die Finisher dürfen sich als „Legenden“ bezeichnen. Magen-Darm-Beschwerden raubten ihm die letzten Kräfte Beim Start jeden Morgen ertönt der ACDC-Hit „Highway to hell“ – es ist ein wahrer Höllenritt. Die längste Etappe beträgt 82,5 Kilometer, über 16 Stunden brauchte Merk dafür. Ein Sandsturm und Magen-Darm-Beschwerden raubten ihm die letzten Kräfte. „Man spricht da vom härtesten foot race on earth“, erklärt der langjährige Bundesliga-Referee. „Ich habe sechs Kilo in sechs Tagen verloren. Lauftechnisch wird es jeden Tag weniger, so um die 20 Prozent sind es irgendwann.“ Schon die Planung der Ausrüstung – alleine fünf Kilo an Essen schleppen die Teilnehmer des Trailruns mit sich, Wasser und Zelte werden gestellt – ist eine Herausforderung an sich. „Ich habe sogar den Stil meiner Zahnbürste abgesägt, um ein paar Gramm Gepäck zu sparen.“ Viel später im Ziel der Schinderei empfindet Merk tiefste Dankbarkeit und Demut. „Es sind Momente für die Ewigkeit.“ Der dreimalige Weltschiedsrichter des Jahres sitzt mit seiner Frau Sabine zu Hause entspannt beim Cappuccino, als er von seinen Touren erzählt. Die beiden haben aus einem Hofgut im pfälzischen Edelweindorf Weisenheim am Berg ihr persönliches Idyll geschaffen – mit viel schweißtreibender Eigenarbeit. Der Blick geht über die Rheinebene bis nach Heidelberg. „Meerblick“, sagt Merk und lächelt: „Rebenmeer.“ An diesem Tag steht für die beiden nur ein sogenannter „Yogalauf“ an, wie sie ironisch sagen: acht Kilometer durch die idyllische Landschaft. Die allermeisten Bergtouren und Wettkämpfe – wie zuletzt den Rom-Marathon – bestreiten sie gemeinsam. Ihr Motto hängt als Spruch an der Küchenwand: „Das Leben findet heute statt.“ Merk hat schon einen Ultratrail in Thailand bestritten, war auf Skiern bei einer Expedition am Nordpol, hat Sechs- und Siebentausender in den Anden und im Himalaya bestiegen, war beim Transalpin-Marathon über 280 Kilometer und dreimal beim legendären Wasa-Lauf auf Langlaufskiern dabei. Im Juni steht die Tour Bodensee – Nebelhorn an, ein Rauf und Runter über 83 Kilometer. Merk lief schon mit 15 seinen ersten Marathon. „Wenn ich samstags aus dem Kessel raus war, brauchte ich am Sonntagmorgen erst mal den Wald“, sagt der frühere Fifa-Unparteiische, der auch bei zwei Welt- und Europameisterschaften pfiff. „Markus war hinsichtlich seiner Fitness ein Vorbild für mich. Ich konnte schon zu seinen aktiven Zeiten nicht fassen, wie viele Extremsport-Aktivitäten er neben seinen Einsätzen absolviert hat“, sagt sein Ex-Kollege Felix Brych, der gerade seine Schiedsrichter-Karriere beendet hat. „Manchmal konnte man fast glauben, es schlagen zwei Herzen in seiner Brust.“ Natürlich lässt es Merk mit über 60 inzwischen etwas langsamer angehen, aber das Ziel verliert er nie aus den Augen. Wie seine 52 Jahre alte Frau. „Es ist fantastisch, diese Leidenschaft zu teilen. Andere gehen halt in ein Golfhotel“, sagt er. Im Dauertraining sind die beiden immer. „Wir wollen so fit sein, dass wir innerhalb von ein paar Wochen ein größeres Event bestreiten können“, sagt er. „Unser größtes Ziel ist, dass wir gemeinsam lange fit bleiben. Wir nehmen alle Herausforderungen, ohne getrieben zu sein.“ Im Bekanntenkreis, so seine Erfahrung, „machen sportlich fast alle nichts mehr, weil sie ihre Vorgaben nicht mehr erreichen.“ Sie will auf dem Nebelhorn dann auch mal einen Aperol trinken. „Ich bin ja nicht so rasend schnell.“ Sabine Merk weiß aber, dass ihr Mann eigentlich etwas anderes meine, wenn er sich irgendwo auf der Strecke umdreht und fragt, wie es ihr gehe. „Dann meint er eigentlich: Du könntest ein bisschen schneller machen.“ Er beteuert: „Wenn sie sich quält, leide ich.“ Zwei Fingerkuppen erfroren Die sportliche Leidenschaft und Ausdauer haben aber auch Spuren hinterlassen: Im vergangenen Jahr stand eine Knie-Operation an, zwei Finger hat er dauerhaft mit Tapes verbunden: Bei einer Rettungsaktion 2014 auf einem Siebentausender in Kirgisistan sind ihm die Kuppen erfroren. Aber: Seinem Körper gehe es immer besser, seit sie ihn vor zwei Jahren überredet hat, ins Kraftstudio zu gehen. Dass Muskeltraining im zunehmenden Alter extrem wichtig ist, haben verschiedene Studien bewiesen. „Muskulatur wirkt wie ein Medikament. Ab dem 50. Lebensjahr ist der Abbau so enorm, dass gezieltes Muskeltraining zwingend nötig ist“, sagte kürzlich Sportwissenschaftler Ingo Froböse im Interview der „Süddeutschen Zeitung“. Merk trieb es dann gleich auf die Spitze und nahm an einem Hyrox teil: Ein Indoor-Wettkampf mit Tausenden von Enthusiasten, die achtmal 1.000 Meter rennen und dazwischen Workout-Stationen bewältigen. „Da sind viele Junge dabei. Ich war der Viertälteste“, sagt er. „Da schluckst du dann schon.“