Der finale EM-Kader des deutschen Teams steht. Nun kommt es auf 23 Spielerinnen an, die der Bundestrainer nicht nur mutig, sondern auch weitsichtig ausgewählt hat. Frauen-Bundestrainer Christian Wück erzählt die Anekdote oft: Als Kapitän Philipp Lahm ein Jahr nach der Weltmeisterschaft 2014 gefragt wurde, wer der wichtigste Spieler im DFB-Kader gewesen sei, antwortete er: Roman Weidenfeller . Der Schlussmann war nur Ersatz, absolvierte kein Spiel in Brasilien. Für das Team sei er aber wichtig gewesen. Für Wück bedeutet das: „Es müssen nicht die besten Spielerinnen sein, aber es muss die beste Spielerin sein.“ Genau das sei die Aufgabe eines Trainerteams, „diese Mannschaft zu finden.“ Mit seinem Kader für die Frauen-EM in der Schweiz ist dem 52-Jährigen das offenbar gelungen. Wück entschied mutig und weitsichtig – und hätte das Team so nicht besser zusammenstellen können. Ein Mix aus Erfahrung und Frische Zwei Wochen vor dem EM-Start zeugt sein Kader von einem Neubeginn. Die Generation der etablierten Führungsspielerinnen wie Alexandra Popp oder Marina Hegering ist verabschiedet. Stattdessen rücken Spielerinnen mit internationaler Erfahrung wie Rebecca Knaak (Manchester City) und Sjoeke Nüsken (FC Chelsea) stärker in den Vordergrund. Dazu entschied sich Wück für die Jungstars Franziska Kett, Cora Zicai und Carlotta Wamser. Das zeugt von Mut. Die Verantwortung, die jahrelang vor allem auf den Schultern von Ex-Kapitänin Popp lastete, ist neu verteilt. Giulia Gwinn führt nun das Team an. Janina Minge etablierte sich als Abwehrchefin, Klara Bühl hat sich von ihren Formschwankungen verabschiedet und sich zu einer wichtigen Stütze in der Offensive entwickelt. Gemeinsam haben sie sich unter Bundestrainer Wück zu einem torhungrigen Team entwickelt, das auch die Baustelle in der Defensivarbeit in den Griff bekommen hat. Namhafte Spielerinnen bleiben daheim Dabei hat sich Wück nicht gänzlich gegen langjährige Leistungsträgerinnen entschieden: Kathrin Hendrich bespielte jahrelang die Innenverteidigung, nahm mehrfach an Turnieren wie Olympia und der WM 2023 teil und stand bereits 83-mal für Deutschland auf dem Platz. Sara Däbritz hielt ebenso über Jahre hinweg die Stellung in der Mittelfeldzentrale (108 Länderspiele). In der jüngsten Vergangenheit verlor sie zwar wie Hendrich ihre Stammposition, als Ersatzspielerinnen bieten beide allerdings eine starke Alternative mit Erfahrung. Wück hat also zu jeder Zeit der EM fähige Spielerinnen in der Hinterhand – auch wenn er geschätzte Profis dafür zu Hause lassen musste. Denn für die Vize-Europameisterinnen Felicitas Rauch, Lena Oberdorf und Sara Doorsoun ist seine Auswahl ernüchternd. Während Rauch zuletzt ohnehin nicht mehr berücksichtigt wurde, entschied sich Wück nach gemeinsamen Wochen im Rahmen der Nations League sogar gegen Oberdorf – aus gesundheitlichen Gründen. Die Münchnerin war nach zehn Monaten von einem Kreuzbandriss zurückgekehrt, absolvierte jedoch bislang kein Spiel. Auch Doorsoun wurde im Vorfeld mitgeteilt, dass sie keinen Platz im EM-Kader habe. Die 33-Jährige, die nie über eine Reservistenrolle im deutschen Team hinausgekommen ist, beendete daraufhin ihre DFB-Karriere . Wück fokussiert sich also auf Dynamik, auf Frische – und hat damit eine Mannschaft zusammengestellt, die das Potenzial hat, Europa zu überraschen. Dass sie das kann, muss die deutsche Mannschaft jetzt allerdings noch unter Beweis stellen.