Tennis: Andrea Petkovic über Bedrohungen – „Ich hoffe, Du stirbst“

Immer mehr Profis beklagen Bedrohungen und Beleidigungen in den sozialen Medien. Die deutsche Ex-Spielerin Andrea Petković berichtet von ihren eigenen Erfahrungen – und spricht über Lösungen. Es ist das Thema, das den Tennissport aktuell abseits vom Geschehen auf den Courts umtreibt. Das Thema, das Spielerinnen und Spieler beschäftigt und belastet. Denn zuletzt nahmen die Klagen der Stars über Bedrohungen und Beleidigungen in den sozialen Medien zu. Auch am Rande der Berlin Tennis Open, die noch bis 22. Juni laufen, berichteten Spielerinnen von ihren Erfahrungen. Die deutsche Eva Lys erklärte, Ziel von Hassnachrichten und Bedrohungen geworden zu sein – nicht nur in den sozialen Medien wie Instagram oder X, sondern sogar persönlich „im realen Raum“. Die French-Open-Siegerin und Weltranglistenzweite Coco Gauff berichtete, sie erhalte ständig „Beleidigungen, rassistische Kommentare, Nacktfotos, die ganze Bandbreite.“ Es sei „einfach ekelhaft“. Ein Problem, das auch Andrea Petković beschäftigt. Die 37-Jährige, über viele Jahre eine der besten deutschen Tennisspielerinnen, ist als „Director of Excitement“ Botschafterin des hochkarätig besetzten Rasenturniers in Berlin, das viele Spielerinnen als Vorbereitung auf Wimbledon (Start 30. Juni) nutzen. Beim Turnier hat die frühere Weltranglisten-Neunte mit t-online über ihre eigenen Erfahrungen mit Droh- und Hassbotschaften gesprochen – und auch über mögliche Lösungen. t-online: Andrea Petković, 2024 sagten Sie zu t-online: „Ich glaube, dass die sozialen Medien eher Positives bewirkt haben“ für das Tennis und seine Stars. Nun haben zuletzt wieder die Meldungen von Spielerinnen und Spielern zu Bedrohungen und Beleidigungen zugenommen. Muss umgedacht werden? Andrea Petković: Ich glaube immer noch, dass die sozialen Medien Spielerinnen und Spielern die Kontrolle über ihr eigenes Narrativ erlauben. Sie ermöglichen ihnen auch, über Verdienste durch Posts in Kooperation mit Werbepartnern die Kosten, die im Tennis anfallen, zu kompensieren. Diese Option hatten wir früher beispielsweise nicht. Da hatte man während eines Turniers stets im Hinterkopf: Ich muss jetzt die nächsten beiden Runden gewinnen, weil ich gerade Trainer und Physiotherapeut bezahlt habe und nun 10.000 Euro im Minus bin (lacht). Das hat sich geändert, und das ist natürlich zu begrüßen. Aber: Ein anderer Punkt führt uns alle ins Social-Media-Verderben. Welcher? Das Geschäft mit Sportwetten, das muss man leider so sagen. Sie sprechen damit den Bericht der WTA (Damentennis-Weltverband, Anm. d. Red.) an. Von 8.000 im vergangenen Jahr als beleidigend, bedrohend oder gewalttätig eingestuften Posts und Kommentaren gegen Tennisspielerinnen seien allein 40 Prozent ausschließlich von „wütenden Wettern“ gekommen. Das sind Leute, die offenbar teilweise ihr komplettes Gehalt auf eine Spielerin oder einen Spieler setzen, auf ein Match in einem Turnier – und gar nicht auf die Idee kommen, dass das vielleicht keine gute Idee sein könnte. Die spanische Weltranglistenzehnte Paula Badosa erzählte auf einer Pressekonferenz in Berlin , sie hätte sogar schon Nachrichten von Wettern erhalten, die von ihr das verlorene Geld zurückgefordert hätten, weil sie ja für den Verlust verantwortlich sei. Das ist komplett verrückt. Ich habe das ja selbst erlebt in meinen letzten Karrierejahren, in denen ich nicht mehr unter den Top-30 der Welt und dadurch bei Turnieren nicht gesetzt war. Das bedeutete, dass Sie schon in den ersten Turnierrunden auf stärkere Gegnerinnen trafen. Richtig. Und dann bekam ich solche wütenden Nachrichten, obwohl ich gewonnen hatte. Warum? Weil ich eine Favoritin besiegt hatte, auf die viel Geld gesetzt wurde. Ich konnte es also einfach nicht richtig machen (lacht). Ich bin aber nach einer Weile zu einer Praxis übergegangen, die heute meiner Beobachtung nach viele Spielerinnen und Spieler befolgen. Welche? Die ersten 20, 30 Minuten nach einem Match gibst du dein Handy der Mama, dem Papa, dem Freund, der Freundin, dem Trainer – und die gehen dann alle Nachrichten und Kommentare durch, die in der Zwischenzeit gesendet wurden. Dann geht es los: Löschen, blockieren, löschen, blockieren. Das kann auch mal 30 Minuten dauern. Aber Sie haben ja offenbar trotzdem zumindest vieles davon mitbekommen. Die deutsche Tennisspielerin Eva Lys berichtete neulich von Bedrohungen, sogar in Person, die Weltranglistenzweite Coco Gauff erzählte von Todesdrohungen, von Rassismus… Bei mir waren vielleicht fünf Prozent aller Nachrichten wirkliche Bedrohungen. Der Großteil aber bestand aus Beleidigungen, Beschimpfungen, Verwünschungen. Dann schrieb mir jemand „Ich hoffe, Du stirbst“, „Ich hoffe, Du brichst Dir ein Bein“ und ähnliches. Manchmal ging es auch über mich hinaus: „Ich hoffe, Deiner Familie passiert etwas“. Einmal aber hat mein damaliger Trainer Petar Popović auf eine Nachricht geantwortet… Ja? Das war jemand, der zufällig aus demselben Dorf in Serbien kam wie er. Da schrieb er dann zurück: „Ich kenne Dich, ich weiß, wo Du wohnst“ – und da wurde die Person auf einmal ganz kleinlaut und schrieb flehend zurück: „Bitte nicht, es tut mir leid.“ Ich gebe zu, da habe ich Genugtuung verspürt. Ist es überhaupt möglich, diese Flut aus Hass und Wut auszublenden? Nein. Aber ich muss sagen: Am Ende, die letzten fünf Jahre meiner aktiven Karriere, war ich total abgestumpft. So weit, dass mich solche Nachrichten gar nicht mehr getroffen haben. Es gab keinen anderen Ausweg? Nicht für jemanden, der so lange wie ich auf der Tour war. Das waren ja 16, 17 Jahre. Da lernt man dann irgendwann, das bestmöglich zu ignorieren, irgendwie. Aber bei jungen Spielerinnen wie Eva Lys oder Coco Gauff ist das ganz anders – die sind noch am Anfang ihrer Karrieren und müssen erst lernen, damit klarzukommen. Coco ist gerade erst 21 Jahre alt – und sie hat ja öfters schon sehr kreativ reagiert, hat beispielsweise Siege ihren „Hatern“ gewidmet. Sie schafft es schon, negative Dinge für sich ins Positive zu drehen. Gauff hat nun auch gefordert, Social-Media-Plattformen wie Instagram oder X selbst zu entschlossenerem Handeln zu drängen. Da gebe ich ihr absolut Recht. Die Täter müssen spüren, dass das, was sie tun, Folgen hat. Aber schon das Melden einschlägiger Nachrichten ist schwierig, denn es wird nur gehandelt, wenn es sich eindeutig um eine Bedrohung handelt. Bei Beleidigungen und Beschimpfungen wird zwar gesagt, man würde sich das genau anschauen – aber dann passiert nie etwas. Da muss schon wirklich stehen: „Ich will Dich umbringen“, sonst wird niemand tätig. Was wünschen Sie sich? Wenn Accounts, die Droh- und Hassnachrichten verschicken, direkt und umgehend gesperrt würden, dann wäre schon viel getan. Es war bereits enorm hilfreich, als Instagram die Funktion eingeführt hat, dass beim Blockieren einer Person alle weiteren Accounts, die sie möglicherweise hat, ebenfalls blockiert werden können. Dann waren plötzlich zig Kommentare weg – und man hat realisiert: Das war alles ein und dieselbe Person, nur von verschiedenen Konten aus. Konsequenteres Einschreiten der Plattformen würde also viel verändern. Die WTA legt indes seit geraumer Zeit schon verstärkten Fokus auf die mentale Gesundheit der Spielerinnen. Das hat auch Naomi Osaka mit auf den Weg gebracht… … die frühere Weltranglistenerste, die wiederholt über ihre Depression und ihre mentalen Probleme gesprochen und deshalb auch Spielpausen eingelegt hat. Inzwischen gibt es bei jedem Turnier auch eine Anlaufstelle für mentale Gesundheit, es gibt Telefonnummern, an die sich die Spielerinnen wenden können. Man darf nicht vergessen: Das Tennis mag an der Oberfläche glamourös erscheinen. Alles basiert aber darauf, dass Du ständig weg bist von Deiner Familie, von Deinen Liebsten, von Deinen Freunden. Man fühlt sich allein? Zwar entwickeln sich natürlich auch Freundschaften mit anderen Spielerinnen, die auch nach dem Karriereende weiter bestehen. Aber auf dem Platz bleiben es Rivalinnen. Die Einsamkeit auf der Tour ist nicht zu unterschätzen.