Herz der Formel 1: Silverstone zeigt Boom des Renngeschäfts

Vor 75 Jahren erlebte die Formel 1 in Silverstone ihre Geburtsstunde. Das jüngste Rekord-Wachstum der Königsklasse reicht weit über den britischen Grand Prix hinaus. Im Verkehrs-Infarkt von Silverstone spürt die Formel 1 den Aufschwung des Renngeschäfts hautnah. Fast eine halbe Million Fans säumen in diesen Tagen das Asphaltband in der Grafschaft Northamptonshire, wenn die Rennserie an ihrem Geburtsort die nächste PS-Massenmesse zelebriert. „Silverstone war immer mehr als eine Rennstrecke für mich“, beteuert Ferrari-Superstar Lewis Hamilton , mit neun Siegen hier Rekordhalter, vor dem zwölften Saisonlauf am Sonntag (16.00 Uhr/Sky). Silverstone beschreibt sich selbst als das Zuhause des britischen Motorsports, auch wenn das Ortseingangsschild des 2000-Einwohner-Dorfes „Vorsichtig fahren“ einfordert. Auf einem Militärflugplatz wurde die Formel 1 hier vor 75 Jahren aus der Taufe gehoben, inzwischen ist daraus ein Milliardengeschäft geworden, das mehr denn je boomt. Kein anderes Rennen zieht mehr Zuschauer als der britische Grand Prix an. Aber auch an den meisten anderen Strecken verzeichnete die Formel 1 zuletzt Besucherrekorde, 6,5 Millionen Menschen pilgerten nach Angaben der Rennserie im Vorjahr zu den 24 WM-Läufen. Milliarden-Beitrag für britische Wirtschaft Das Herz des Fahrgeschäfts schlägt seit Jahrzehnten rund um Silverstone. Die meisten Teams haben ihre Rennfabriken in Mittel-England. 6.000 Beschäftigte zählt die britische Motorsport-Industrie, weitere 41.000 Jobs hängen zumindest indirekt an der organisierten Raserei. Knapp 14 Milliarden Euro hoch ist der Beitrag des Motorsports zur britischen Wirtschaftsleistung. Die Formel 1 sei „eine fantastische Visitenkarte für dieses Land in aller Welt“, sagte Stefano Domenicali, der Geschäftsführer der Rennserie. „Ich bin wirklich stolz darauf, was die Formel 1 für unser Land tut. Sie ist Teil der Marke Großbritannien“, schwärmte Premierminister Keir Starmer , der Domenicali und eine Handvoll Fahrer am Mittwoch an seinem Amtssitz in der Downing Street empfing. Nur einen Steinwurf weiter färbten tausende McLaren-Fans den Trafalgar Square papaya-orange. Der Rennstall hatte den berühmten Platz rund um die Nelson-Statue für zwei Tage gemietet, die Fanzone platzte teilweise aus allen Nähten. „Das ist das Wochenende, das ich mit am meisten genieße in der Saison“, rief Publikumsliebling Lando Norris der Menge zu. Als WM-Zweiter mit 15 Punkten Rückstand auf seinen australischen Teamkollegen Oscar Piastri hat der 25-Jährige gute Chancen, der elfte britische Formel-1-Champion zu werden. Norris ist eine der Figuren im Fahrerfeld, die in der wachsenden jungen Fangemeinde der Formel 1 besondere Popularität entfalten. Sein Kampf mit den Emotionen und den Nerven, das Spiel mit den sozialen Medien und der Erfolg auf der Rennstrecke machen den McLaren-Piloten zu einem perfekten Protagonisten für die neue Königsklasse. Genau so stellen sich auch die US-Besitzer von Liberty Media das vor, die den Umsatz der Formel 1 seit der Übernahme 2017 auf deutlich mehr als drei Milliarden Dollar verdoppelt und den Gewinn vervielfacht haben. Jüngere Fans, neue Sponsoren und Rennstrecken Eine vor dem Gastspiel in Silverstone veröffentlichte Fanumfrage in 180 Ländern zeigt ein steigendes Interesse bei einer jüngeren Zielgruppe, zudem sind drei von vier neuen Fans demnach weiblich. Insgesamt sei die Fanbasis der Formel 1 im Vorjahr weltweit auf 826,5 Millionen Menschen gewachsen, ermittelten die Marktforscher von Nielsen Sports. Das lockt auch immer mehr potente Sponsoren in den Rennzirkus. Der französische Luxuskonzern LVMH, der chinesische Computerhersteller Lenovo und der Sportartikel-Riese Adidas kamen zuletzt als Geldgeber hinzu. Im Schnitt verdient die Formel 1 fast doppelt so viel pro Sponsoren-Deal wie vor der Corona-Krise. Auch das Geschäft mit den Rennveranstaltern läuft. Mit Miami und Österreich wurden zuletzt sogar Verträge bis 2041 geschlossen. Madrid kommt im nächsten Jahr mit einem Stadtrennen dazu, Thailand will mit Milliarden-Investition ab 2028 in den Rennkalender. Bringt Brad Pitt noch mehr Wachstum? Wichtigen Treibstoff für das Wachstum der Rennserie liefert seit Jahren die Netflix-Serie „Drive to Survive“, die jede Saison als Sportdrama mit vielen Blicken hinter die Kulissen aufbereitet. Das hat der Formel 1 ein neues Publikum vor allem auf dem lange so schwierigen US-Markt erschlossen. Die nächste Stufe dieser Marketing-Strategie zündete in der Vorwoche, als Brad Pitts Film „F1“ in die Kinos kam und schnell zum Kassenschlager wurde. Auch hier ließ die Formel 1 die Macher aus Hollywood ganz nah heran, mit eigener Garage und dem Fahrerfeld als Statisten. Idol Hamilton wirkte am Drehbuch mit und ist Co-Produzent des Streifens. Schon gibt es Gerüchte um eine Fortsetzung, die der Rekordweltmeister aber bremst. „Ich würde da nichts übereilen. Die meisten Fortsetzungen sind ja sowieso viel schlechter als das Original“, sagte Hamilton. Und die Formel 1 schreibt ihre Geschichten auch nach 75 Jahren immer noch am liebsten selbst.