Das Nervenspiel der DFB-Frauen gegen Frankreich zeichnete eine souveräne Teamleistung aus. Neben Ann-Katrin Berger spielte auch eine EM-Debütantin groß auf. Aus Basel berichtet Kim Steinke Einen Tag nach dem deutschen 6:5-Sieg im Elfmeterschießen gegen Frankreich ist die Freude noch immer groß. Die DFB-Frauen stehen im Halbfinale der EM in der Schweiz und treffen schon am Mittwoch auf Weltmeister Spanien (ab 21 Uhr im Liveticker bei t-online). Nach 120 kämpferischen Minuten und einem nervenaufreibenden Showdown im Elfmeterschießen avancierte Deutschlands Schlussfrau Ann-Katrin Berger mit zwei parierten Schüssen vom Punkt und einer Glanzparade in der Verlängerung zur Heldin des Viertelfinales in Basel. Doch es gab aus deutscher Sicht noch eine zweite, stille Heldin der Partie: Franziska Kett. Die 20-Jährige, die in diesem Nervenkrimi ihr EM-Debüt gab, überzeugte über 114 Minuten mit einer souveränen Leistung – und das auf einer von ihr nicht unbedingt heiß geliebten Position. Gegen Frankreich stellte sich Kett also einer gewaltigen Herausforderung. Sie agierte als linke Außenverteidigerin, eine Rolle, mit der sie sich erst in dieser Saison beim FC Bayern vertraut gemacht hatte. „Eigentlich habe ich immer offensiv gespielt“, erklärte sie noch im Vorfeld der EM im Gespräch mit t-online. Da beide, sowohl die Bayern als auch das DFB-Team, aber offensiv spielten, ähnele sich die Position. „Ich glaube, die Französinnen haben sich genervt gefühlt“ Im April wurde Kett erstmals von Bundestrainer Christian Wück in den deutschen Kader berufen. Ihr Kaderdebüt – zugleich Debüt in der Startelf – erfolgte beim 4:0-Sieg gegen Schottland. Wück stellte sie damals, ebenfalls wie die Bayern, als linke Verteidigerin auf – und machte sich ihre Qualitäten nun auch bei der EM in der Schweiz zunutze. Das geschah aber auch gezwungenermaßen: Denn nachdem sich Außenverteidigerin und Kapitänin Giulia Gwinn im Auftaktspiel gegen Polen (2:0) verletzte und ihr Ersatz Carlotta Wamser im dritten Gruppenspiel gegen Schweden (1:4) die Rote Karte gesehen hatte, musste Wück für das Viertelfinale umstellen. Seine Lösung: Linksverteidigerin Sarai Linder rückte auf rechts, Kett bekam das Vertrauen auf links. „Ich war schon sehr aufgeregt, weil es erst mein viertes Länderspiel war“, erklärte Kett nach der Partie. „Ich bin mit dem Gedanken rein, dass ich nichts verlieren kann. Ich habe alles gegeben.“ Ihr Auftritt gegen die Weltklasse-Dribblerin Delphine Cascarino war dabei mehr als ordentlich: Kett trat selbstbewusst und bissig auf, gewann 11 ihrer 17 Zweikämpfe und agierte wiederholt handlungsschneller als die Französin. So avancierte Kett fast schon zur stillen Heldin des Abends, die Frankreichs Superstar aus dem Spiel nahm. „Ich glaube, die Französinnen haben sich genervt gefühlt von mir“, sagte sie selbst. Bundestrainer Wück lobte die 20-Jährige nach der Partie: Es sei nicht „hoch genug einzuschätzen, wie sie sich gegen eine absolute Topspielerin der Franzosen behauptet hat“. Ihre überzeugende Leistung war dabei keineswegs selbstverständlich. In ihrer noch jungen Karriere sah sich Kett bereits mit mehreren Erschwernissen konfrontiert: Ihre Nominierung für die EM wurde im Vorfeld teilweise hinterfragt. Nicht zuletzt, weil sie mit Felicitas Rauch eine langjährige Leistungsträgerin der DFB-Frauen aus dem Aufgebot verdrängt hatte. Die Kritik ließ sie nicht kalt. „Natürlich bekommt man das mit und es ist nicht leicht, als junge Spielerin damit umzugehen“, erklärte Kett. „Es ist schwer, aber es ist wichtig, dass man das, so gut es geht, ausblendet und auf sich schaut.“ Und genau das ist der Bayern-Spielerin jetzt gelungen. Kett: „Frage gestellt, ob das Ganze noch Sinn ergibt“ Die EM-Nominierung selbst kam indes auch für Kett „überraschend“. Ebenso die Tatsache, „generell noch die Möglichkeit zu haben, in dieser Saison bei der A-Nationalmannschaft dabei zu sein“, sagte sie weiter. Und das aus gutem Grund: „Weil ich eben die letzten Jahre sehr viele Verletzungen hatte und mich immer zurückkämpfen musste.“ Im vergangenen Jahr musste sich Kett gleich zwei Operationen unterziehen. Kurz nach der Rückkehr zu alter Leistungsstärke zog sie sich nur drei Wochen später eine schwere Sprunggelenkverletzung zu. „Da habe ich mir schon oft die Frage gestellt, ob das Ganze überhaupt noch Sinn ergibt“, offenbarte sie. Was sie motiviert hat? Der Versuch, „immer meinen Traum zu verfolgen und jeden Tag etwas dafür zu tun. Das hat sich jetzt durch harte Arbeit ausgezahlt.“ Die harte Arbeit könnte sich weiter auszahlen: Nach Gwinn hat sich möglicherweise auch Linder schwerer verletzt. Nach ihrer frühen Auswechslung im Spiel gegen Frankreich konnte sie nur noch auf Krücken laufen. So könnte Kett – wie auch Wamser nach ihrer Rotsperre – schon im EM-Halbfinale gegen Spanien wichtiger denn je werden – und sich perspektivisch zur Leistungsträgerin des Teams entwickeln.