Stirbt eine europäische Basketball-Institution? Die NBA geht mit ihrer aggressiven Expansion ein großes Risiko ein

NBA-Commisioner Adam Silver macht keinen Hehl mehr daraus, dass er die NBA gerne nach Europa expandieren möchte. Mit Geld aus dem arabischen Raum und der Unterstützung einiger europäischer Top-Klubs scheint das Ziel zum Greifen nah. Oder doch nicht?

Wemby legt den Grundstein für die NBA in Europa

Wemby legt den Grundstein für die NBA in Europa

Spätestens seit Januar 2025 sollte es allen klar sein: die NBA will unbedingt Fuß in Europa fassen. Zwei Spiele zwischen den Indiana Pacers und den San Antonio Spurs umrahmten eine Woche voller Feierlichkeiten in Paris, der Heimatstadt von Ausnahmetalent Victor Wembanyama. NBA-Boss Adam Silver traf sich mit den hochrangigen Organisatoren des europäischen Basketballs und auf dem Feld versetzte jede Wemby-Aktion die ausverkaufte Halle in Ekstase.

Die Erfolgswelle der „Paris Games“ soll in der kommenden Spielzeit nun weiter geritten werden. Deutsche Basketball-Fans dürfen sich am 15. Januar 2026 auf das „Berlin Game“ freuen, wo sich die Lokalmatadoren Moritz und Franz Wagner mit den Memphis Grizzlies duellieren. Die Partie ist die erste einer europäischen Mini-Serie. Das zweite Aufeinandertreffen findet drei Tage später in London statt, auch hier zeigt die NBA zum ersten Mal seit 2019 wieder Präsenz.

Der Vorstoß der NBA in den europäischen Raum ist natürlich kein Zufall. Im Nachgang der „Paris Games“ wurden erstmals Stimmen laut, die über eine NBA-geführte Liga in Europa spekulierten. Sechs Monate später sollten diese Stimmen recht behalten haben. Just vergangene Woche setzte Silver seine Werbe-Tour auf der anderen Seite des Atlantiks fort. Eine Expansion ist mittlerweile eigentlich nur noch eine Frage der Zeit.

 

Die NBA buhlt um die Sympathien europäischer Top-Klubs

Die NBA buhlt um die Sympathien europäischer Top-Klubs

Silvers plötzliches Interesse am europäischen Markt kommt nicht von ungefähr. Die Euroleague, in vielen Augen die zweitbeste Basketball-Liga der Welt, steht 2026 vor einem wegweisenden Jahr – und vielleicht auch vor ihrem Ende.

Hintergrund ist folgender: 2026 läuft die Lizenzvereinbarung der europäischen Top-Liga mit ihren anteilseigenen Klubs (insgesamt 13 von 20 gesetzten Teams) aus. Die neue Rahmenvereinbarung ist noch nicht unterzeichnet, würde die betroffenen Teams aber für weitere zehn Jahre an die Euroleague binden. 

In der Liste der anteilseigenen Klubs tauchen einerseits die prestigeträchtigen Schwergewichte aus Barcelona, Madrid und München auf, andererseits finden sich dort auch Traditions-Teams wie Panathinaikos Athen und Olympiakos Piräus wieder. Die Unterscheidung soll später noch wichtig werden.

Während sich die anteilseigenen Teams Anfang des Jahres noch geschlossen hinter der Euroleague formierten, bröckelt mittlerweile die öffentliche Unterstützung des Wettbewerbs. Laut Berichten von The Athletic scheinen es vor allem die Teams aus Barcelona und Madrid zu sein, die nach Sondierungsgesprächen mit der NBA vergangene Woche starkes Interesse an der NBA-Liga in Europa zeigten.

Aber auch außerhalb der spanischen Supermächte soll die NBA bei anderen Teams ordentlich Eindruck gemacht haben. Alba Berlin, das sich diesen Sommer aus der Euroleague zurückgezogen hatte, soll laut NBA-Vize Mark Tatum „großes Interesse an der Vision einer rundum erneuerten europäischen Top-Liga“ gezeigt haben. 

Das Team von NBA-Legende Tony Parker, ASVEL Basket of Villeurbanne, muss aus offensichtlichen Gründen ebenfalls als potenzieller Kandidat für eine Expansion gehandelt werden.

Doch die NBA scheint nicht ausschließlich an bestehenden Teams interessiert zu sein. Silvers Europa-Odyssey sah unter anderem Stopps in Manchester und Paris vor. Laut Berichten soll es dabei vor allem um eines gegangen sein: die Sympathien der großen Geldgeber von Manchester City und Paris Saint-Germain. Diese könnten den Basketball in Europa nachhaltig verändern.

Das Rennen um die Petrodollars

Wie so oft im Sport wird die Zukunft des europäischen Basketballs in erster Linie über das Geld entschieden werden. Und das türmte sich in den vergangenen 20 Jahren vorwiegend arabischen Raum auf.

Die Euroleague hat dahingehend bereits ihre Hausaufgaben gemacht und bediente sich in der jüngeren Vergangenheit vermehrt an den schier unerschöpflichen Geldquellen aus dem arabischen Golf. Seit der vergangenen Saison findet deswegen auch das alles entscheidende Final Four in Abu Dhabi statt. Mit dem BC Dubai wird in der kommenden Saison darüber hinaus der erste arabische Klub in der europäischen Königsklasse vertreten sein. 

Die NBA hat ihrerseits alle Hände voll zu tun, möglichst gut bei den Investoren aus Nahost dazustehen. Die brauchen sie ebenso dringend, um ihre geplante Liga mit den nötigen finanziellen Lockmitteln ausstatten zu können und die Euroleague im Kampf um die europäische Basketball-Elite auszustechen. Die vorher erwähnten PSG und ManCity sollten da gerade die richtigen Anlaufstellen sein. 

Die „City Football Group“ (CFG) zum Beispiel befindet sich im Besitz der Herrscherfamilie Saudi Arabiens und ist infrastrukturell bereits bestens für ein Basketball-Team ausgestattet. Die Expansion der CFG in neue Sportarten sollte sich auch finanziell für die superreichen Entscheidungsträger lohnen. Ähnliches gilt für den Pariser Raum, der unter der Kontrolle von „Qatar Sports Investments“ (QSI) steht.

Dass die NBA vor den ethischen Problematiken einer Kooperation mit Investoren aus Nahost nicht zurückschreckt, hat sie in der Vergangenheit schon mehrfach bewiesen. Preseason-Spiele wurden nach Abu Dhabi verkauft und namhafte Franchises wie die Celtics und die Knicks kassieren seit Jahren üppige Sponsorendeals vom Kulturministerium aus Abu Dhabi.

Den großen Vorteil, den die NBA bei den Emiraten auf ihrer Seite haben könnte, sind die großen Namen, die sie in den Ring werfen können. Der BC Dubai flog bereits den serbischen Superstar Nikola Jokic ein, um ihn während eines Spiels am Feldrand platzieren zu können.

Sollten sich die europäischen Stars in der NBA (Doncic, Antetokounmpo, Wembanyama) entscheiden, ihren Saisonabend mit fetter Gage in der Heimat ausklingen zu lassen, wären die Investoren aus dem Golf wahrscheinlich mehr als entzückt, die prominenten Top-Spieler in ihren Büchern stehen zu haben. 

Euroleague-Chef schießt zurück gegen“verwirrende“ Liga der NBA

Jemand, der mit den Entwicklungen in diesem Sommer gar nicht einverstanden ist, ist Euroleague-Boss Paulius Motiejunas.

„Wir brauchen keine neue Liga, die [Euroleague] macht es sehr gut. Sie wächst immer weiter […]. Diese neue Liga würde nichts als Verwirrung stiften“, sagte der Litauer in einem Interview mit The Athletic vergangene Woche. Er bekräftigte weiterhin, dass die Euroleague dennoch bereit sei, mit der NBA zu kooperieren.

Laut Motiejunas könnten sich die beiden Verbände gegenseitig unterstützen. „Sie haben ein sehr starkes Image. Sie können uns TV-Deals sichern. […] Wir haben andererseits die Fans und 25 Jahre Tradition“, skizzierte der Euroleague-Chef seine Vorstellung für eine Zusammenarbeit.

„Alle Hardcore-Fans kennen die Euroleague. Diese Fans werden wir nicht verlieren“, gab er sich weiterhin kämpferisch. Die NBA hingegen scheint sich weniger für die von Motiejunas angesprochenen Traditionsteams mit „Hardcore Fans“ wie Piräus oder Athen zu interessieren. Vielmehr werden die lukrativen Märkte aus Barcelona, Paris und Berlin ins Visier genommen. 

„Es ist gerade sehr verwirrend, aber wir sind optimistisch. Wenn, dann würde diese NBA-Liga erst in zwei bis drei Jahren anlaufen. Wir wachsen. Warum sollten wir uns dann zurückziehen?“, verteidigte er sich gegen die Nachfrage nach den anteilseigenen Klubs, die die Euroleague nächsten Sommer verlassen könnten.

Sollte sich die NBA in Europa durchsetzen, steht also auch für die europäische Basketball-Identität ein neues Kapitel an. 

Was passiert mit den traditionsreichen Klubs, die von ihren frenetischen Fans leben, wenn sie nicht mehr in der Top-Liga spielen? Wäre die NBA-Variante der Euroleague nur noch eine Abschlusstour für alternde Stars? Wie „amerikanisch“ kann die europäische Liga überhaupt sein? 

Während wir all die Basketball-Fragen erst einmal hypothetisch stehen lassen müssen, muss die NBA zumindest rechtlich einige klare Hürden überwinden, um in Europa Fuß fassen zu können.

 

 

NBA-Modell trifft auf EU-Recht – ein Konflikt mit Ansage

NBA-Boss Adam Silver hat vor allem hinsichtlich des „sportlichen Wettbewerbs und der Spielergehälter“ klare Vorstellungen, wie die europäische NBA-Liga auszusehen hätte. Und die hat doch große Ähnlichkeiten zu ihrem nordamerikanischen Pendant, inklusive teamübergreifend geregelter Gehaltsobergrenzen und Spieler-Akquise per Draft und Trade.

Ob die Gehaltsobergrenze („Salary Cap“) aber in Europa überhaupt durchsetzbar ist, könnte zumindest kartellrechtlich angreifbar sein.

Dasselbe gilt anscheinend für die Art und Weise der Transferabwicklung. Das amerikanische System ist laut Expertenmeinung ein „geschlossener Arbeitsmarkt“, der Profis kein Mitspracherecht bei der Kündigung und Neuverhandlung ihrer Verträge gebe. 

Das Transfer-System via Trade, das schon von Dennis Schröder vergangenen Winter lautstark als „moderne Sklaverei“ verunglimpft wurde, sei in Europa rechtlich nicht durchsetzbar, heißt es weiterhin in dem Experten-Statement.

Kurzum: obwohl die NBA mit einer klaren Vision in den europäischen Markt eingreift, ist noch lange nicht klar, welche Ausmaße die amerikanische Expansion in Europa annehmen kann. Für Silver & Co. steht also noch eine Menge Arbeit an, wenn sie die NBA als globale Sportliga vermarkten wollen.