„Wenn der die ganze Zeit fit wäre, dann …“: Ein deutsches Supertalent will nach einem Seuchenjahr endlich in der Bundesliga ankommen

Welcher deutsche Spieler aus dem extrem guten Jahrgang 2006 die größte Karriere hinlegen könnte? „Es gibt viele“, sagte Bence Dardai vom VfL Wolfsburg, der selbst zu dem goldenen Jahrgang zählt, der 2023 U17-Europa- und Weltmeister wurde, kürzlich im YouTube-Format Skillers Ligabattle bei SkillersTV. Finn Jeltsch vom VfB Stuttgart nannte er als erstes, danach folgte gleich Assan Ouedraogo.

„Wenn der die ganze Zeit fit wäre – das weiß er auch selbst -, dann geht es bei ihm auch noch sehr, sehr weit nach oben, glaube ich. Weil er hat wirklich alles“, lobte Dardai, mittlerweile ungarischer A-Nationalspieler, seinen ehemaligen Teamkollegen beim DFB. Ein großes Lob von einem Altersgenossen, das Ouedraogos riesiges Potenzial belegt. Aber eben auch dieses „Wenn“ beinhaltet, das die noch junge Karriere des 19-jährigen Mittelfeldspielers von RB Leipzig bisher auf so unglückliche Art und Weise bestimmte.

Hinter Ouedraogo liegt ein absolutes Seuchenjahr. Eigentlich wollte er sich genau wie Dardai möglichst schon vergangene Saison in der Bundesliga etablieren. Aber Ouedraogos Körper machte nicht mit, sodass am Ende seines ersten Jahres in Leipzig gerade einmal 70 Spielminuten zu Buche standen, verteilt auf fünf meist sehr kurze Einsätze.

In der Vorbereitung im vergangenen Sommer zeigte der Youngster, für den RB zehn Millionen Euro an Schalke 04 überwiesen hatte, zunächst gute Ansätze. Doch dann, Anfang August 2024, verletzte sich Ouedraogo im Testspiel gegen Aston Villa am Knie. Der Start beim neuen Klub war damit verhagelt, knapp drei Monate lang musste er pausieren.

Anfang November konnte Ouedraogo dann endlich sein Bundesliga-Debüt feiern. Der Gegner war für ihn als Schalker Junge ein besonderer, bei der 1:2-Niederlage bei Borussia Dortmund wurde er kurz vor Schluss eingewechselt. Drei Wochen später bekam der hochveranlagte Mittelfeldmann beim 3:4 gegen Hoffenheim dann schon eine halbe Stunde, wiederum ein paar Tage darauf hätte er eigentlich auch im Champions-League-Spiel bei Inter Mailand (0:1) 30 Minuten lang auf dem Platz gestanden. Doch nur wenige Minuten nach seiner Einwechslung vertrat sich Ouedraogo unglücklich, musste humpelnd vom Platz. Die Diagnose: Muskelverletzung mit Sehnenbeteiligung im linken Oberschenkel, wieder mehrere Monate Zwangspause.

„Das ist natürlich ein schwerer Schlag für den Jungen und auch für uns“, sagte Marcel Schäfer, Leipzigs Geschäftsführer Sport. Der damals 18-Jährige habe sich „gerade wieder ins Team gekämpft und dabei gute Ansätze gezeigt.“ Letztlich dauerte es sogar fünfeinhalb Monate, ehe Ouedraogo Anfang Mai erstmals wieder im Kader stehen konnte. Für einen weiteren Einsatz in der vergangenen Saison reichte es allerdings nicht mehr.

Schon auf Schalke hatte Assan Ouedraogo mit Verletzungen zu kämpfen

Schon auf Schalke hatte Assan Ouedraogo mit Verletzungen zu kämpfen

Besorgniserregend für Ouedraogo ist auch, dass er schon vor seinem Wechsel nach Leipzig immer wieder mit Verletzungen zu kämpfen hatte. Im November 2023 zog er sich im zweiten Gruppenspiel der U17-WM gegen Neuseeland einen Syndesmosebandriss zu. Bereits angeschlagen angereist, war das Turnier, das für Deutschlands Junioren mit dem U17-WM-Titel endete, für ihn vorzeitig beendet. Seinem damaligen Klub Schalke fehlte Ouedraogo daraufhin vier Monate lang.

Es sind erstaunlich viele Rückschläge, die Ouedraogo in seiner noch jungen Laufbahn bereits einstecken musste. Im Sommer 2023 hatte er mit 17 ein spektakuläres Profi-Debüt gefeiert, erzielte bei der 3:5-Niederlage von S04 zum Zweitligastart beim Hamburger SV ein Tor und lieferte einen Assist. Einige Wochen zuvor hatte er mit der DFB-Auswahl bei der U17-EM 2023 begeistert, stand in vier der sechs Spiele auf dem Weg zum Titel in der Startelf und erzielte im Halbfinale gegen Polen einen enorm wichtigen Treffer.

Schon da standen die namhaften Vereine Schlange und wurden nicht weniger, als sich der Teenager bei Schalke zu Beginn der Spielzeit 2023/24 bereits in der 2. Liga etablierte. Der FC Liverpool soll interessiert gewesen sein, der BVB hatte aufgrund von Ouedraogos Liebe zu S04 keine Chance – und auch der FC Bayern München klopfte offenbar an. Es gab dem Vernehmen nach Treffen zwischen Verantwortlichen des Rekordmeisters und Ouedraogo, ein Transfer an die Säbener Straße soll schon kurz bevor gestanden haben. Angeblich war dem FCB die Ablösesumme aber letztlich zu hoch. Stattdessen erhielt RB Leipzig den Zuschlag, wo der deutsche Junioren-Nationalspieler bis 2029 unterschrieben hat und eigentlich schon vergangene Saison in der Bundesliga ankommen wollte. Eigentlich.

Assan Ouedraogo: Der „merkwürdige Fußballer“ hofft auf den Durchbruch

Assan Ouedraogo: Der

„Es ist bitter gelaufen, aber das ist Vergangenheit. Jetzt greife ich neu an“, gab sich Ouedraogo zuletzt im Interview mit der Leipziger Volkszeitung kämpferisch. „Wenn man zu viel darüber nachdenkt, was war, dann kann man nicht befreit aufspielen. Deswegen probiere ich es so gut wie möglich auszublenden, einfach Fußball zu spielen und die Verletzungen zu vergessen.“

Dennoch geht es für den Ex-Schalker, dessen Vater Alassane einst auch Profi war und unter anderem für den 1. FC Köln spielte, natürlich zunächst vornehmlich darum, über einen längeren Zeitraum gesund zu bleiben. Er aktiviere sich „vor dem Training weiter sehr gewissenhaft, mache danach meine Nachbereitung, um so gut wie es geht präventiv daran zu arbeiten, Verletzungen möglichst gut zu vermeiden“, so Ouedraogo.

Unter dem neuen Trainer Ole Werner will er sich trotz der großen Konkurrenz im Mittelfeld der Leipziger möglichst schnell für Einsatzzeit empfehlen, am liebsten auf der Acht oder der Zehn. Dort fühlt sich Ouedraogo am wohlsten, kann seine Stärken gut zur Geltung bringen. Der U17-Europa- und -Weltmeister vereint Technik und Dynamik bereits in erstaunlich reifer Ausführung, ist zudem zweikampfstark und trifft mit Ball am Fuß häufig intuitiv die richtige Entscheidung, kann auch Unvorhergesehenes produzieren.

„Ich würde mich selbst als Fußballer als ein bisschen merkwürdig bezeichnen“, sagt Ouedraogo in einem Interview mit der Webseite von RB Leipzig. „Ich habe keinen konstanten Ablauf für Situation X, sondern mache einfach, was mir gerade einfällt. Ich spiele sehr viel mit Instinkt.“

Ouedraogos kreative Fähigkeiten können Leipzigs letzte Saison zuweilen biederem Spiel sicherlich zugute kommen. Der neue Coach Werner mache „einen super Eindruck“, betont der gefühlte Neuzugang, der sich aber schon ein Jahr lang an die Umgebung bei RB gewöhnen konnte. „Wir haben vor, viel spielerisch zu lösen. Das ist genau unser Stil, denke ich“, freut sich Ouedraogo darauf, kommende Saison endlich die nächsten Schritte in seiner Karriere gehen zu können.

Bei der U19-EM im Juni konnte er wieder spielen, nachdem ihm das im Finale der vorherigen Bundesliga-Saison nicht mehr möglich gewesen war. Und Ouedraogo zeigte mitunter, warum beispielsweise Ex-Mitspieler Bence Dardai so viel von ihm hält, unter anderem mit seinem enorm wichtigen und enorm sehenswerten Tor im abschließenden Gruppenspiel gegen Norwegen. Deutschland stand vor dem Aus, als Ouedraogo nach knapp 80 Minuten eingewechselt wurde. Fünf Minuten später nahm der Leipziger einen Ball aus 20 Metern per Halbvolley direkt und hämmerte ihn traumhaft in den Winkel. Es war das 1:1, das Deutschland doch wieder auf den Halbfinaleinzug hoffen ließ, den der 2:1-Siegtreffer von Said El Mala in der Nachspielzeit schließlich perfekt machte.

Für solche genialen Momente will Ouedraogo nun auch endlich in der Bundesliga sorgen. Für den Youngster kann es in seiner Laufbahn noch sehr, sehr weit gehen – er muss nur fit bleiben.