Rassistische Entgleisungen überschatten die erste DFB-Pokalrunde. Welche Handhabe besteht gegen die Täter und was können Vereine tun? Unerwartete Favoritenstürze waren in der ersten Runde des DFB-Pokals in diesem Jahr Mangelware. Als einziger Bundesligist verabschiedete sich Werder Bremen bei Pokalschreck und Vorjahresfinalist Arminia Bielefeld . Drittligist Energie Cottbus setzte sich gegen das klassenhöhere Hannover 96 durch. Die größte Überraschung gelang Regionalligist FV Illertissen, der Zweitligist Nürnberg rauskegelte. Ansonsten? Favoritensiege allerorts. So wenige Außenseitererfolge in der Auftaktrunde gab es erst einmal zuvor in der Pokalgeschichte: in der Saison 2009/10. Nadiem Amiri: Nationalspieler und Mutter im Netz rassistisch beleidigt Premier League: Rassistische Beleidigung bei Liverpool-Spiel Ohnehin überlagerte ein anderes Thema das sportliche Geschehen zum Start in die neue Saison. Gleich in zwei Stadien wurden Profis Opfer von rassistischen Beleidigungen. In Potsdam, wo Fünftligist Eintracht Stahnsdorf gegen Kaiserslautern ausschied, wurde ein FCK-Ersatzspieler verbal attackiert. Beim Spiel bei Lok Leipzig traf es den Schalker Christopher Antwi-Adjei. Dort soll das N-Wort gefallen sein, eine früher gebräuchliche rassistische Bezeichnung für Schwarze, wie der Spieler anschließend selbst schilderte. Antwi-Adjei erstattete Anzeige, auch der DFB ermittelt. Rassismus auf den Rängen und im Netz Ein dritter Vorfall kam am Montag hinzu. Nach seinem brutalen Tritt gegen Dortmunds Yan Couto sah sich der Essener Kelsey Owusu „heftigen und teilweise rassistischen Beleidigungen“ in den sozialen Medien ausgesetzt , wie der Drittligist mitteilte und zeitweise die Kommentarfunktion bei Instagram schloss. Ähnliches widerfuhr dem deutschen Nationalspieler Nadiem Amiri, der Mainz 05 mit seinem Freistoßtor bei Dynamo Dresden in die nächste Runde schoss. Der 28-Jährige machte eine Direktnachricht öffentlich, in der ein Nutzer ihn und seine Mutter massiv beleidigte, auch mit fremdenfeindlichen Inhalten. Auch sein Teamkollege Arnaud Nordin wurde rassistisch angegangen. Zieht man noch den Fall aus England hinzu, wo ein Liverpool-Fan Bournemouth-Profi Semyeno rassistisch beleidigte, fällt dabei die Häufung der Vorkommnisse dieser Art auf. Der Mann in Liverpool konnte direkt ausfindig gemacht und abgeführt werden. Wie verhält es sich bei den Fällen hierzulande? Wie können Täter nachträglich noch ermittelt werden? Sportrechtler Paul Lambertz erklärt t-online: „Wenn ich als Fan ins Stadion gehe, dann unterschreibe ich auch die allgemeinen Ticketbedingungen. Da wird man informiert, dass man aufgenommen wird und dieses Videomaterial ausgewertet werden kann. Das wird die Polizei in diesen Fällen auch tun.“ Er schränkt jedoch ein: „Die Frage bei den Stadien unterhalb des Profifußballs ist nur, wie gut die Kameratechnik ist und ob es überhaupt eine gibt. Aber wenn es sie gibt und gefilmt worden ist, darf die Polizei diese auswerten. Das gilt auch für TV-Aufnahmen.“ Anhand der Bewegtbilder sollen die Täter überführt werden. Ihnen drohen dann Strafen auf mehreren Ebenen. Lambertz sagt: „Zum einen gibt es die Sanktion seitens des ‚Fußballs‘. Dieser kann ein Stadionverbot aussprechen. Es gibt eine Anhörung und dann kann der Beschuldigte dazu Stellung nehmen. In den beiden Fällen liegt meines Erachtens ein klarer Verstoß gegen die Werteordnung des Fußballs vor.“ Der DFB kann zudem die jeweiligen Klubs mit einer Geldstrafe belegen. „Dann wäre die Frage, ob die Vereine die Strafe regressieren, also an den Verursacher weiterleiten. Das kann richtig teuer werden“, so Lambertz, der weiter erklärt: „Zum anderen gibt es Sanktionen, die der Staat erlassen kann. Dann wären wir auf der strafrechtlichen Ebene. Da drohen Geld- oder gar Gefängnisstrafen.“ Abschließend ist auch eine zivilrechtliche Klage seitens der betroffenen Spieler, die auf Schmerzensgeld oder Schadenersatz klagen können, denkbar. Diesen Weg geht Schalkes Antwi-Adjei mit seiner Anzeige. Die rechtlichen Folgen zur Abschreckung der Täter sind das eine. Was können Vereine und Fans aber sonst noch tun, um Rassismus und Extremismus aus den Stadien zu vertreiben? „Stadionfußball so diskriminierungsfrei wie nie, aber …“ Thomas Kessen von der Fan-Vereinigung „Unsere Kurve“ nennt im Gespräch mit t-online sozialpädagogische Fanprojekte, die es seit Jahrzehnten im deutschen Fußball gebe. Er sagt: „Ihrer Arbeit ist es zu verdanken, dass der Stadionfußball heute so sicher und so diskriminierungsfrei ist wie noch nie. Auch die organisierten Fanszenen haben ungefähr seit der Jahrtausendwende einen großen Anteil an der Verdrängung rechter und rechtsradikaler Ausdrucksformen.“ Kessen betont jedoch, dass es unmöglich sei, „100 Prozent der Stadiongänger zu erreichen und zu sensibilisieren.“ Es sei deshalb „unerlässlich, dass Vereine und Fans gemeinsam eine Stadionatmosphäre schaffen, die Rechtsextreme ausgrenzt. Es darf nicht möglich sein, sich zu verstecken und die Fremdenfeinde müssen unmittelbar erfahren, dass sie eine Minderheit sind und ihr Verhalten keine Unterstützung im Fußball findet.“ Bliebe noch die Frage, wie auf rechtlicher Ebene etwaige Stadionverbote durchgesetzt werden, wenn Täter durch couragierte Stadionbesucher oder mithilfe der Technik ermittelt werden konnten. Schließlich gibt es keine personalisierten Tickets, und die Täter könnten sich Karten über Dritte beschaffen. Dazu sagt Sportrechtler Lambertz: „Ein Stadion ist natürlich kein Hochsicherheitstrakt. Da gibt es niemanden, der den Personalausweis kontrolliert, wie am Flughafen zum Beispiel. Aber in erster, zweiter und dritter Liga gibt es szenekundige Beamte. Die wissen darüber Bescheid, welche Personen Stadionverbot haben.“ Rassistische Beleidigungen: Essens Owusu löscht Instagram-Profil Doch genügt das? Lambertz weiter: „Bestimmt wäre es möglich, für einen Fan mit Stadionverbot doch hineinzugelangen, wenn er es darauf anlegt. Doch dann nimmt dieser natürlich in Kauf, erwischt zu werden und anschließend mit einer noch härteren Strafe belegt zu werden. Ob das so eine kluge Idee ist, soll jeder für sich entscheiden.“ Bei der Länge der Stadionverbote gibt es übrigens eine Richtlinie seitens des DFB. Darin heißt es, dass minder schwere Fälle mit bis zu zwölf Monaten Stadionverbot belegt werden, Vergehen im schweren Fall wiederum mit bis zu 24 Monaten, im besonders schweren Fall 36 Monate und im wiederholten und besonders schweren Fall bis zu 60 Monaten. Bevor darüber entschieden wird, müssen die verantwortlichen Personen aber zunächst einmal gefasst werden.