Deutschland verliert zum ersten Mal ein Auswärtsspiel in der WM-Qualifikation. t-online-Kolumnist Stefan Effenberg ist nicht überrascht – und stellt eine Forderung auf. Bundestrainer Nagelsmann kritisiert er scharf. Ich sage es direkt vorneweg: Dieses 0:2 der deutschen Nationalmannschaft in der Slowakei war erschütternd. Und: Es war auch peinlich. Das muss man so klar und deutlich aussprechen. Für das, was die DFB-Elf da am Donnerstagabend in Bratislava abgeliefert hat, gibt es keine anderen Worte. Besonders unangenehm auch deshalb, weil dieses Spiel der Auftakt der Qualifikation zur WM 2026 war, deren Gewinn schon vor Monaten zum ganz großen Ziel erklärt wurde. Aber: Dieses 0:2 war auch die Fortsetzung eines Trends, der Sorgen machen muss. Vielleicht haben viele über die Sommerpause, die Klub-WM, das spektakuläre Transferfenster und den Bundesligastart hinweg vergessen, dass es davor auch nicht doll lief für die Nationalmannschaft. Beim Final Four der Nations League im eigenen Land hatte man schließlich nur den vierten und letzten Platz belegt, aus den letzten sechs Länderspielen gab es nur einen Sieg für die Mannschaft von Bundestrainer Julian Nagelsmann . Und da ist es ganz egal, ob die Gegner Frankreich (0:2) oder Portugal (1:2) oder „nur“ Ungarn (1:1) und nun Slowakei hießen: Deutschland läuft den eigenen Ansprüchen aktuell weit hinterher, und das ist ein ganz gefährlicher Weg, den Nagelsmann und seine Spieler da gerade beschreiten. Die Heim-EM hat viele geblendet Was ich gegen die Slowakei gesehen habe, war eine wirklich sang- und klanglose Niederlage gegen einen Außenseiter, der völlig verdient gewonnen hat. Warum? Weil die Slowaken aus ihren Möglichkeiten das Beste gemacht haben, mit Herz, mit Leidenschaft, mit Einsatz und Überzeugung. Und das hat uns gefehlt. Alles davon. Nagelsmann hat danach gesagt: „Vielleicht müssen wir tatsächlich auf weniger Qualität setzen und stattdessen auf Spieler, die nur alles reinwerfen.“ Da muss ich dem Bundestrainer deutlich widersprechen. Denn alles reinzuwerfen, ist eben ein Qualitätsmerkmal. Ebenso die Einstellung und die von ihm so eingeforderte Emotionalität. Diese Eigenschaften sind nicht gesondert zu betrachten, sondern gemeinsam Teil eines Gesamtbilds. Deshalb sind diese Aussagen von Nagelsmann für mich nur schwer zu verstehen. Vor allem darf eins nicht vergessen werden: Eben diese Eigenschaften müssen doch Grundvoraussetzung für jeden Nationalspieler sein, eine Selbstverständlichkeit, die ein Bundestrainer nicht extra einfordern sollte. Dieses 0:2 muss und wird für alle ein Weckruf gewesen sein. Die Heim-EM im vergangenen Jahr hat viele geblendet – entgegen der allgemeinen Wahrnehmung war das Turnier aus DFB-Sicht nämlich nicht stark und auch kein neues „Sommermärchen“, sondern höchstens okay. Nun und nach den letzten Ergebnissen kann man Mannschaft und Fans nur zurufen: Willkommen zurück in der Realität. Nach dem Debakel in Bratislava: Ausgerechnet er richtete das Wort an die Mannschaft „Will ich nicht mehr hören“: Nagelsmann redet sich nach Pleite in Rage TV-Comeback von ARD-Moderatorin: Schweinsteiger mit frechem Spruch zu Sedlaczek Und die Realität ist: Deutschland ist aktuell einfach nicht gut genug für die Weltspitze. Im Gegenteil, wir sind von der Weltspitze meilenweit entfernt. Wir haben eine Elf, die gut ist – aber nicht mehr. Die Zeiten, in denen wir bei großen Turnieren mit großem Selbstverständnis zu den Top-Favoriten gehörten, sind vorbei. So ehrlich muss man sein, und das darf auch nicht wehtun – denn es ist die traurige Wahrheit. Mehr Freiheiten für die deutschen Spieler Mehr noch: In der Form von Donnerstag wird die DFB-Elf auch am Sonntag gegen Nordirland Probleme bekommen. Und wir wollen wirklich da rüber zur WM 2026 fahren und Weltmeister werden? Das braucht mir momentan niemand zu erzählen. Wenn da dann mal ein richtig starker Gegner kommt, wird Deutschland in dieser Verfassung gnadenlos auseinandergepflückt. Ist es Ihnen übrigens auch aufgefallen, wie gegen die Slowakei kein einziger deutscher Spieler zu seiner angestammten Form fand? Es war fast sichtbar, wie ihnen allen die Spielfreude fehlte – und da muss ich sagen: Vielleicht ist dieses Mikromanagement von Laufwegen und Passrouten, das im modernen Fußball mittlerweile nicht unüblich ist, nicht hilfreich, sondern eher lähmend. Die Spieler werden von Nagelsmann und seinem Trainerstab so nach und nach komplett ihrer größten Stärken, ihrer Kreativität und ihres eigenständigen Denkens beraubt; und finden dann keine Lösung mehr, wenn sich ein Gegner mal nicht so verhält, wie es in der Theorie beschrieben wird. Und schon haben wir Probleme auch mit einer Mannschaft wie der Slowakei. Warum war denn ein Florian Wirtz kaum zu sehen? Den deutschen Spielern müssen wieder mehr Freiheiten gelassen werden. Zu meiner aktiven Zeit war das anders: Wenn Ottmar Hitzfeld beim FC Bayern uns während eines Spiels sagte: „Ich bringe gleich Alex Zickler rein“, dann brauchte er uns nicht noch millimetergenaue Anweisungen geben, weil wir schon wussten, dass wir unser Spiel dann etwas umstellen mussten. Es muss nicht alles verkompliziert und verwissenschaftlicht werden. Ein Punkt wird mir angesichts dieser vom Bundestrainer selbst losgetretenen Diskussion um „Emotionalität“ aber komplett vernachlässigt: die Fehler, die sich Julian Nagelsmann ankreiden lassen muss. Denn der Bundestrainer ist mit seiner Aufstellung mitschuldig am verunsicherten Auftritt seiner Elf. Der Druck liegt nun bei der DFB-Elf Deutschland spielte in Bratislava mit einer Doppel-Sechs im zentralen Mittelfeld aus Joshua Kimmich und Angelo Stiller . Leon Goretzka wurde von Nagelsmann stattdessen davor auf die Zehner-Position geschoben – aber jeder weiß doch, dass das nicht seine Rolle ist. Und er hat sich im Spiel auch sichtlich unwohl gefühlt. Goretzka ist ein sehr, sehr guter Box-to-Box-Player, der aber aus dem Zentrum kommt, dort seine Stärken entfaltet und nicht weiter vorn hinter den Spitzen. Ich kann einfach nicht nachvollziehen, was sich Nagelsmann dabei gedacht hat. Er hat doch das Gespann aus Kimmich und Goretzka, das so auch im Verein beim FC Bayern ständig zusammenspielt, und reißt es einfach auseinander. Warum? Um einem anderen Spieler einen Gefallen zu tun und ihn mal aufzustellen? Das kann nicht sein. Auffällig war natürlich außerdem die Leistung von Antonio Rüdiger – oder besser: die Nicht-Leistung. Da muss sich Nagelsmann genau überlegen, ob es für den Verteidiger so noch reicht für die Nationalmannschaft. In der Form vom Donnerstag sicherlich nicht. Am Sonntag steht nun direkt das zweite Spiel in der WM-Quali gegen Nordirland an. In Köln wird die DFB-Elf einen physisch starken, robusten und unbequemen Gegner empfangen. Natürlich wissen die Nordiren, dass sie der deutschen Mannschaft individuell unterlegen sind. Aber sie werden alles auf dem Platz lassen, das sie haben. Und: Nordirland hat sein erstes Qualifikationsspiel gewonnen. Der Druck liegt also bei Deutschland. Denn die Slowakei – der größte Konkurrent um den Gruppensieg – wird ihre Partie gegen Luxemburg voraussichtlich gewinnen und steht dann bereits bei sechs Punkten. Nur Platz eins qualifiziert sich direkt für die WM. Wenn wir nicht in die Playoffs wollen, müssen wir jetzt schon auf einen Ausrutscher der Slowaken hoffen. Das kann uns nicht gefallen. Ich erwarte nun eine ganz klare Leistungssteigerung und auch taktische Anpassungen von Julian Nagelsmann. Ich will zum Anpfiff eine Aufstellung sehen, in der jeder Spieler auf einer ihm gewohnten Position aufgeboten wird, dass ich die Formation im Schema sehe und direkt denke: Das passt, das ist richtig so. Und ich erwarte einen selbstbewussten, sicheren Auftritt, in dem zu keiner Phase des Spiels gezittert werden muss. Wenn aber auch gegen Nordirland der Gedanke aufkommt, dass die Partie nach hinten losgehen könnte – das wäre ganz schlimm. Und dann muss zwangsläufig nicht nur die Mannschaft, sondern auch das Trainerteam hinterfragt werden.