Basketball-EM: Es wird Zeit, Dennis Schröder zu würdigen – Kommentar

Die goldene Ära des deutschen Basketballs ist eng mit einem Namen verbunden, der hierzulande noch nicht genug wertgeschätzt wird. Deutschland ist Welt- und Europameister im Basketball. Dieser Satz ist angesichts der jüngeren deutschen Sportgeschichte kaum zu glauben. Vor zwölf Jahren scheiterte Deutschland bei Europameisterschaften noch an Basketball-Zwergen wie Großbritannien oder Belgien, schied bei der Heim-EM 2015 schon in der Gruppenphase aus. Heute steht Deutschland an der Basketball-Weltspitze, wirft Nationen wie die USA oder Serbien bei der WM raus, wird ungeschlagen Europameister. Ausnahmekönner Franz Wagner stellte bei MagentaSport klar: „Wir sind genau da, wo wir hingehören.“ Dass Deutschland im Basketball tatsächlich da ist, wo es hingehört, ist dabei auch einem Mann zu verdanken, der hierzulande gerne etwas kritischer beäugt wird: Dennis Schröder . Der Spielmacher und Kapitän der Nationalmannschaft besitzt vielleicht nicht das Talent eines Dirk Nowitzkis, aber er ist der Anführer des Welt- und Europameisters. Er hat Deutschland aus der sportlichen Bedeutungslosigkeit in die Weltspitze geführt. Spätestens seit diesem Sonntag ist Schröder eine Schlüsselfigur der deutschen Sportgeschichte – und es wird Zeit, ihn auch als solche zu würdigen. Denn ohne ihn würde es das aktuelle deutsche Basketball-Märchen nicht geben. Sie wollten einen zweiten Nowitzki, keinen ersten Schröder Schröder war in seinen jungen Jahren bereits das Gesicht des deutschen Basketball-Neustarts. Ein kreativer Spielmacher mit spektakulären Tricks und wichtigen Körben. Bei vielen deutschen Sportfans, die Bodenständigkeit und Demut schätzen, kam Schröder trotzdem nicht gut an. Sie nahmen ihm seine gefärbten Haare und die teuren Autos, die er fuhr, übel. Sie wollten lieber einen zweiten Nowitzki als einen ersten Schröder. Denn Nowitzki stand wie kaum ein deutscher Spitzensportler für diese Werte. Dass Schröder Deutschland bei der EM 2017 auf Rang sechs führte, war schnell vergessen, als die DBB-Auswahl bei der WM zwei Jahre später in der Gruppenphase ausschied. Schröder war der Sündenbock – obwohl er die meisten Punkte und Assists auf dem Konto hatte. Während er sich in der NBA immer mehr einen Namen machte, blieben die Skeptiker in Deutschland laut. Schröder sei abgehoben, arrogant, kein Teamplayer, so der Vorwurf, der wenige Jahre später verstummen sollte. 2022 holte Deutschland EM-Bronze, Schröder war bester Werfer und Vorbereiter. 2023 wurde Deutschland erstmals Weltmeister, Schröder war bester Werfer und Vorbereiter. Bei den Olympischen Spielen in Paris 2024 verpasste Deutschland nur ganz knapp eine Medaille, Schröder war zweitbester Werfer und bester Vorbereiter. Am Sonntag wurde Deutschland Europameister, mit Schröder als zweitbestem Werfer und bestem Vorbereiter. Sowohl beim WM-Titel in Manila als nun auch beim EM-Titel in Riga zeichnete ihn der Weltverband Fiba als „Most Valuable Player“ (kurz: MVP), den wichtigsten Spieler des Turniers, aus. „Der denkt: Wir werden Gold holen“ Dabei war Schröder als Kapitän nie perfekt, leistete sich auch mal Fehler. Zum Beispiel bei der öffentlichen Kritik an Maxi Kleber vor der WM 2023, der sich daraufhin in der Nationalmannschaft nicht mehr „uneingeschränkt willkommen“ fühlte. Aber Schröder lernte dazu und nahm viel auf sich, damit andere in Ruhe glänzen konnten. Franz Wagner zum Beispiel, der als Supertalent mit hohen Erwartungen konfrontiert war und diesen auch dank Schröders Hilfe gerecht werden konnte. Der 31-Jährige zeigt als Kapitän auch stets das nötige Selbstvertrauen, glaubt immer an sich und das Team. „Der denkt: Wir werden Gold holen. Der weiß das“, erinnerte sich Moritz Wagner im Interview mit der „Zeit“ nach dem WM-Titel 2023. Und wenn der Erfolg dann da ist, dann denkt Schröder vor allem an seine Teamkollegen. Den EM-Titel in Riga widmete er zunächst den Verletzten, die das Turnier verpassten. „Wir haben das auch für dich geholt“, sagte er bei MagentaSport zu Moritz Wagner. „Auch für Jo (Voigtmann, Anm. d. Red.) und alle, die verletzt und bei der WM mit dabei waren.“ Und seinen MVP-Titel wollte er am liebsten weitergeben. „Eigentlich muss ich mir den mit Franz (Wagner, Anm. d. Red.) teilen. Er war der bessere Spieler als ich. Ich will, dass das alle wissen.“ Dennis Schröder hat in den vergangenen Jahren nicht nur Titel gewonnen, sondern auch Vertrauen. Vertrauen seiner Mitspieler, seiner Trainer – und nach und nach auch der deutschen Öffentlichkeit. Er war nicht immer der beliebteste Spieler, aber er war immer da. Und genau deshalb steht sein Name jetzt ganz oben, wenn über die goldene Ära des deutschen Basketballs gesprochen wird. Es wird Zeit, ihn als das anzuerkennen, was er ist: einer der besten Teamsportler der deutschen Geschichte.