Dortmunds Innenverteidiger Nico Schlotterbeck ist auf dem Weg, der nächste Abwehrstar der Bundesliga und Nationalmannschaft zu werden. Und hat auch schon das Interesse des deutschen Rekordmeisters auf sich gezogen. Lange Zeit haftete Nico Schlotterbeck der Ruf an, ihm würden die klassischen Attribute eines Innenverteidigers etwas abgehen. Attribute wie Zweikampfhärte und Stellungsspiel. Aber das konnte der 1,91 m große Schwabe in den vergangenen Jahren immer mehr widerlegen. An sich ist Schlotterbeck sogar einer, der gelegentlich mit einem harten Tackling ein Statement setzen möchte. Das hat er für den BVB wie auch die DFB-Auswahl gelegentlich schon getan. Einen Gegner über die Klinge springen lassen, um zu zeigen, wer der Chef auf dem Rasen ist. Aber natürlich verkörpert Schlotterbeck in erster Linie den modernen Innenverteidiger-Typen. Er ist intelligent am Ball, kann ein Spiel von hinten aufbauen und Defensivaufgaben eher mit Positionsspiel lösen, als dass er ständig über den Rasen rutschen müsste. In Dortmund hat er längst die Rolle von Mats Hummels als neuer deutscher Abwehrchef und tiefer Spielgestalter eingenommen. Sicherlich beanspruchte Emre Can eine Weile die Position als Defensivboss, aber Schlotterbeck ist als ganzer Spieler etwas talentierter als der sechs Jahre ältere Can. Nico war der gefährlichere Bruder Während seiner Zeit als Jugendspieler war Schlotterbeck ähnlich wie sein Bruder Keven, der mittlerweile beim FC Augsburg etabliert ist, ein Wandervogel im Südwesten. Stuttgarter Kickers, VfR Aalen, Karlsruher SC und schließlich SC Freiburg lauteten die Stationen, bevor er im März 2019 sein Debüt für die erste Mannschaft gab. Einen gewissen Durchbruch erzielte Schlotterbeck in der U17 und U19 des KSC, übrigens unter Leitung des heutigen Kölner Cheftrainers Lukas Kwasniok. Damals wurde Schlotterbeck gezielt als Innenverteidiger eingesetzt und wanderte fortan nur noch punktuell ins Mittelfeld. Die Veredelung erfolgte gewissermaßen in der U19 des SC Freiburg und dort wiederum unter der Führung des aktuellen Dynamo-Dresden-Trainers Thomas Stamm. Christian Streich versuchte beide Schlotterbecks nach und nach in der ersten Mannschaft zu integrieren, wobei Nico meist der etwas offensiv gefährlichere war. Beide wurden auch nacheinander an Union Berlin ausgeliehen, um Spielpraxis zu sammeln, bevor Nico nach diesem Leihjahr in Berlin-Köpenick in der Saison 2021/22 seinen Durchbruch feiern konnte. An der Seite von Philipp Lienhart leitete Schlotterbeck die Defensive der Freiburger, konnte immer häufiger im System von Streich seine Qualitäten im Spielaufbau zur Schau stellen und mit dem „Sport-Club“ ins Pokalfinale einziehen. Kreativer Spielgestalter aus der Abwehr Der nächste Schritt war ein Wechsel zu Borussia Dortmund , wo es zeitweilig durchwachsen für Schlotterbeck lief. Das lag aber an den generellen Abwehrproblemen. Auch seine Nebenmänner Niklas Süle, Waldemar Anton oder der bereits erwähnte Mats Hummels hatten damit zu kämpfen, dass Dortmund als Einheit nicht so gut gegen den Ball arbeitete. Die Endverteidigung war meist das letzte Glied in einer Reihe von defensiven Unzulänglichkeiten. Aber Schlotterbecks Aufstieg war gewissermaßen unvermeidlich, lediglich Verletzungen wie der Meniskusriss in der Vorsaison warfen ihn zurück. Als Linksfuß auf der linken Seite der Innenverteidigung oder sogar punktuell als Linksverteidiger ist er einer der kreativsten und aggressivsten Aufbauspieler der Bundesliga . Wenige versuchen so häufig wie Schlotterbeck, die Linien des Gegners zu durchspielen oder zumindest Mitspieler in Position zu bringen, damit die Defensivreihen gebrochen werden können. Seine Erfolgsquote lag bei Pässen über eine Distanz von 16 bis 32 Metern, sprich bei mittellangen Zuspielen, in den vergangenen Jahren immer bei 93 Prozent. Von zehn Zuspielen über diese Länge kommen neun an. Das ist ein Top-Wert. Zugleich bereitet Schlotterbeck laut fbref.com mit seinen Pässen im Schnitt ein bis zwei Chancen pro Spiel vor. Bayern haben anscheinend Interesse Natürlich ist es ebenso wichtig, dass er in der Endverteidigung die richtigen Entscheidungen trifft. Es gab Zeiten beim BVB, da wirkte er besonders im offenen Feld vor dem Strafraum etwas ungestüm und ließ sich gerade im linken Halbraum von Mittel- oder Flügelstürmern überrumpeln. Gelegentlich war Schlotterbeck auch zu aggressiv und ging entsprechend früh ins Grätschen. Aber mittlerweile scheint er viel stabiler in seinem Verteidigungsspiel und weiß auch seine Körperlänge passend einzusetzen. Vor dem großen Bundesliga-Kracher zwischen Bayern München und Borussia Dortmund brodelt nun wenig überraschend die Gerüchteküche. Die Bayern verfügen mit Jonathan Tah und Dayot Upamecano über eine starke Innenverteidigung, aber wer weiß, ob Upamecano noch ewig an der Säbener Straße bleibt. Insofern kommen erste Gerüchte auf, ähnlich wie auch das kolportierte Interesse von Real Madrid und Liverpool. Schlotterbeck hat selbst nicht dazu beigetragen, etwaige Wechselspekulationen verstummen zu lassen. „Aber ich glaube, um ehrlich zu sein, so früh wird es nicht sein, dass ich meinen Vertrag verlängere“, sagte er Ende September, als er auf eine mögliche Verlängerung seines bis 2027 datierten Vertrages mit dem BVB angesprochen wurde. Einst wurde Schlotterbeck als leichtgewichtiger Innenverteidiger belächelt. Mittlerweile ruhen nicht nur in Dortmund die Hoffnungen auf ihm. Angesichts eines in die Jahre gekommenen Antonio Rüdiger , der wohl keine Zukunft mehr bei Real Madrid hat, könnte Schlotterbeck auch zum wichtigen Schlüsselspieler bei der WM 2026 werden. Belächeln tut ihn ganz sicher niemand mehr.