Der FC Bayern verpasst das „Finale dahoam“ auf dramatische Weise. Die Folgen werden sich noch zeigen, schreibt t-online-Kolumnist Stefan Effenberg – und sieht zeitnah schon die nächste Herausforderung für den deutschen Rekordmeister. Der große Traum des FC Bayern ist auf dramatische Weise geplatzt. Das erklärte große Ziel der Münchner, das Champions-League-Endspiel im eigenen Stadion, das viel beschworene „Finale dahoam“ zu erreichen, wurde durch das 2:2 im Viertelfinalrückspiel bei Inter Mailand deutlich verpasst. Und ich sage ganz deutlich: Das hätte so nicht passieren müssen. Denn die Bayern waren dran in diesem Rückspiel, sie haben es gut gemacht – eigentlich. Inter war nicht besser im Giuseppe-Meazza-Stadion, aber die Mailänder haben die Qualitäten an den Tag gelegt, die den Bayern in der Summe der zwei Spiele gefehlt haben: die Abgezocktheit, ihre wenigen Chancen eiskalt zu nutzen, und die Erfahrung, ihr Ergebnis dann über die Zeit zu bringen. Die Bayern haben großen Aufwand betrieben – aber am Ende zu viele Chancen nicht genutzt und defensiv zu viel zugelassen. Vier Gegentore in zwei Spielen, auch gegen ein Spitzenteam wie Inter – das ist zu viel. Trainer Vincent Kompany und seine Spieler werden wissen: Das waren insgesamt zwei Spiele, in denen sie vier, fünf Tore hätten machen müssen – so viele Gelegenheiten hatten sie gegen die aktuell vielleicht beste Abwehr Europas. Das spricht einerseits für das Offensivvermögen des deutschen Rekordmeisters, andererseits dann aber eben auch für das Unvermögen, diese Gelegenheiten nicht in Tore umzusetzen. Diesen Vorwurf müssen sich Harry Kane , Leroy Sané und ihre Teamkollegen gefallen lassen. Inter hat die Bayern bitter bestraft Das Resultat aus dem Hinspiel erwies sich am Mittwochabend als noch schwererer Schlag als vergangene Woche. Dass sie dort – und auch noch zu Hause – nur drei Minuten nach dem hart erkämpften 1:1 direkt das 1:2 kassiert haben, war damals schon ein schwer verzeihlicher Fehler. Und genau dieses Gegentor ist rückblickend nun der wesentliche Faktor gewesen. Das war der eine ganz große Fehler der Bayern in diesen beiden Spielen. Das war einfach kein Erwachsenenfußball in dieser Szene – und wurde von Inter letztlich bitter bestraft. Erwähnt werden müssen dabei aber auch die namhaften Ausfälle, die die Bayern zuletzt zu beklagen hatten. Denn wenn Jamal Musiala , Dayot Upamecano oder auch Alphonso Davies nicht gefehlt hätten – auch Manuel Neuer hatte gefehlt, wurde von Jonas Urbig aber gut vertreten –, wären die Bayern als Favorit in dieses Viertelfinale gegangen. Dieser Aspekt wird für meinen Geschmack zu oft vernachlässigt, soll aber auch keine Entschuldigung sein. Mehr noch: Haben Sie nach dem Hin- oder Rückspiel Wehklagen von Spielern oder Verantwortlichen gehört, man habe ja so großes Verletzungspech und könne nicht mit der Top-Elf antreten? Nein. Und das muss man den Bayern dann doch hoch anrechnen. Sie hätten Ausreden finden können – haben dieses Spiel aber nicht mitgespielt. Auch Kompany muss ich hier noch einmal herausheben: Er stellt sich stets vor seine Mannschaft, würde niemals einen oder mehrere Spieler öffentlich kritisieren und damit Unruhe hineinbringen – das war unter seinem Vorgänger im letzten Jahr noch anders. Er hat ganz schnell und anhaltend Ruhe verbreitet, und das nun ist für den ganzen Verein eine Wohltat. Der Belgier arbeitet gewissenhaft und verdient sich so auch den Rückhalt und das Vertrauen seiner Spieler. Er ist da auf einem ganz richtigen Weg, trotz des Rückschlags nun in der Champions League . „Schütze Deine Stars“ war früher eine goldene Regel von Ottmar Hitzfeld, und genau das tut der 38-Jährige auch. Ich will mir gar nicht vorstellen, dass Kompany nun von irgendjemandem infrage gestellt werden könnte – das wäre unseriös und das Schlechteste, das den Bayern passieren kann. Es werden acht, neun, zehn ganz schwere Tage Eine Bemerkung dazu aber noch: Vorstandschef Jan-Christian Dreesen oder auch Sportvorstand Max Eberl haben nach der Partie am Mittwochabend betont, wie stolz sie doch auf die Mannschaft seien, wie sie gefightet und alles gegeben habe. Darauf sollten sie aber nicht extra stolz sein – denn das ist eine Grundvoraussetzung für ein Spitzenteam wie den FC Bayern, muss eine Grundvoraussetzung sein. Es wäre traurig, wenn es nicht so gewesen wäre. Das sollten sie jetzt nicht zu hoch hängen und nicht versuchen, das Ausscheiden damit schönzureden. Eberl sagte dazu noch, mit Inter sei vielleicht „die glücklichere Mannschaft“ weitergekommen. Darauf antworte ich nun mit Jupp Heynckes , der uns immer sagte: „Glück musst du dir erarbeiten, Glück musst du dir verdienen“ – und das haben die Bayern nicht geschafft. Natürlich wäre es übrigens für Thomas Müller schön gewesen, wenn er es mit den Bayern ins Halbfinale auf dem Weg zum Endspiel im eigenen Stadion geschafft hätte, im besten Fall sogar jetzt mit einem weiteren Tor von ihm, kurz vor Schluss hatte er ja noch eine Chance. Ich hätte es ihm gewünscht. Nach der Partie sagte Müller dann, noch mit Adrenalin: Er fühle das Ausscheiden gar nicht so emotional. Ich weiß, was er meint – aber aus eigener Erfahrung weiß ich auch: Dieses Aus wird ihm und der ganzen Mannschaft noch sehr wehtun. Es wird heute wehtun, es wird morgen wehtun, es wird aber besonders, richtig, richtig wehtun, je näher das Champions-League-Finale am 31. Mai rückt. Eine Woche davor findet das DFB-Pokal-Finale in Berlin statt, wo die Bayern auch nur zuschauen können – das werden noch mal acht, neun, zehn ganz schwere Tage, wenn ihnen erneut vor Augen geführt wird, was sie verpasst haben. Und spätestens im Sommer kommt auch der Tag X für Müller, wenn das letzte Spiel gespielt ist, er im Urlaub durchschnaufen kann und die Situation voll realisiert. Es geht jetzt um 110 Millionen Euro Worauf es nun für die Bayern ankommt? Erst einmal haben sie noch fünf verbleibende Bundesliga-Spiele, liegen in der Tabelle sechs Punkte vor Bayer Leverkusen . Das sollte auch so bleiben, wenn sie zumindest das Minimalziel – und das ist die Deutsche Meisterschaft für die Münchner ja nun mal – souverän erreichen wollen. Ich rate den Bayern davon ab, jetzt schon auf die kommende Saison zu schauen. Das sollten sie auf keinen Fall tun. Denn viel wichtiger wird erst einmal etwas anderes: die Klub-Weltmeisterschaft in den USA im Sommer. Denn dort winken dem Sieger ungefähr 110 Millionen Euro Prämien – Geld, das die Bayern mit Blick auf mögliche personelle Verstärkungen sehr gut gebrauchen können. Die Klub-WM hat nun eine extrem hohe Bedeutung für Kompany und seine Mannschaft – und übrigens auch für Müller, der sich da im Bayern-Trikot ein letztes Mal voll reinhängen wird und sich mit dem Titel verabschieden wollen wird. Für Eberl wird es nun nicht einfach – im Gegenteil: Er steht vor einer großen Aufgabe – noch vor der neuen Saison: Er muss den Kader für die Klub-WM zusammenstellen. Werden Nachwuchsspieler hochgezogen? Welche Verletzten kommen wieder? Wie rüsten sie sich für diese extrem hohe Belastung, die dieses Turnier im Hochsommer schließlich auch darstellt? Ich bin aber überzeugt, dass Eberl gemeinsam mit Sportdirektor Christoph Freund schon längst daran arbeitet. Mit einigen Stars wurden die Verträge verlängert, die Personalie Müller ist auch geklärt – Fragen bleiben noch zur Zukunft beispielsweise von Leon Goretzka . Das wird die Zeit aber zeigen. Das 3:1 des BVB hat mich begeistert An der Klub-WM wird aus deutscher Sicht auch Borussia Dortmund teilnehmen, die sich in der Champions League nach dem 0:4 im Viertelfinalhinspiel beim FC Barcelona noch so teuer wie möglich verkauft haben und mit einem 3:1 im Rückspiel anständig verabschiedet haben. Und dieses Ergebnis hat einmal mehr diese extreme Leistungsschwankung verdeutlicht, mit der der BVB 2024/25 zu kämpfen hat. Das 3:1 hat mich wirklich begeistert, und man mag kaum glauben, dass das die gleiche Mannschaft ist, die nur wenige Tage zuvor in Barcelona noch desolat aufgetreten war. Die wiederum zuvor in der Bundesliga gleich gegen mehrere direkte Konkurrenten im Kampf um das internationale Geschäft gewinnen konnte. Die eine Frage ist nun: Können sie den Eindruck dieses 3:1 – und auch des 2:2 gegen die Bayern vom vergangenen Spieltag – nun in den letzten Wochen der Liga bestätigen? Darauf wissen nur Trainer Niko Kovač und seine Spieler die Antwort – aber in ihrem eigenen Interesse sollte sie positiv ausfallen. Sonst verfehlen sie ihr Minimalziel Europapokal. Ich bin mir sicher: In Dortmund schielen sie alle darauf, doch noch Platz vier und damit die Champions League zu erreichen. Es sind schließlich nur sechs Punkte Abstand. Kommendes Wochenende trifft Dortmund in Gladbach auf einen weiteren Konkurrenten um die vorderen Plätze. Schon dann wird sich zeigen: Geht die Achterbahnfahrt des BVB weiter – oder haben sie es jetzt endlich verstanden?