Im DFB-Kader fehlt Carolin Simon erneut. Deutschlands womöglich beste Linksverteidigerin passt nicht ins System, so der Bundestrainer. Aber warum? Für Carolin Simon verlief die abgelaufene Saison traumhaft: Mit dem FC Bayern schrieb sie Vereinsgeschichte, gewann das Double, bestehend aus dem DFB-Pokal und der Deutschen Meisterschaft. In München zählt sie zu den Leistungsträgerinnen, Simons Vertrag wurde erst Anfang des Jahres bis 2026 verlängert. Bayern-Star kehrt zurück: Das ist der Kader der DFB-Frauen für die EM-Generalprobe Der scheidende Bayern-Trainer Alexander Straus betonte bis zuletzt die Fähigkeiten der Linksverteidigerin: „Ich glaube nicht, dass es auf ihrer Position im Frauenfußball eine Spielerin mit den gleichen Qualitäten am Ball gibt“, adelte er die 32-Jährige noch im März. Sie bringe eine Mischung aus Ruhe, Passqualität und Intelligenz mit, die „einzigartig“ sei. Und dennoch fehlt Carolin Simons Name im Aufgebot der deutschen Nationalmannschaft für die kommenden Spiele in der Nations League gegen die Niederlande (30. Mai) und Österreich (3. Juni). Sie wird erneut nicht berücksichtigt, verpasst die Härtetests vor der Europameisterschaft in der Schweiz (2. bis 28. Juli) – aus einem bestimmten Grund. Ist Simon zu offensiv? Bundestrainer Wück erklärte bei der Kaderbekanntgabe: „Dass Caro außergewöhnliche Fähigkeiten hat, hat sie bewiesen. Nicht nur mit den zwei Titeln, die sie mit Bayern München diese Saison errungen hat, sondern auch mit ihrem individuellen Verhalten.“ Der 51-Jährige wisse aber auch, wer vor und neben ihr spielen könnte. „Da müssen wir schauen, dass wir Fähigkeiten von einzelnen Spielerinnen haben, die sich ergänzen müssen – und da sehe ich das eine oder andere Problem.“ Was Wück damit genau meinte, führte er nicht aus. In München spielt Simon mit Flügelflitzerin Klara Bühl zusammen, die auch in der Nationalmannschaft gesetzt ist. Das Zusammenspiel auf der linken Seite sind die beiden Profis also gewohnt. Aber: Simon gilt auf der Außenbahn als besonders offensiv. Die Bayern-Spielerin schaltet sich regelmäßig in gefährliche Aktionen in Richtung des gegnerischen Tores ein, kam in der abgelaufenen Saison auf wettbewerbsübergreifend vier Tore und vier Vorlagen. Ihre scharfen Hereingaben bei Eckbällen und Freistößen zählen zu ihren Stärken. Zugleich fehlt ihr dabei die Absicherung nach hinten. Simon ist nicht die schnellste Spielerin, hat im Eins-gegen-Eins oft das Nachsehen – und scheint in Wücks Spielidee damit nicht zu passen. Der Bundestrainer hat seit seinem Amtsantritt mit einer instabilen Abwehrkette zu kämpfen: Ausfälle einzelner Stammkräfte wie Bibiane Schulze Solano oder Kathrin Hendrich führten zu verschiedenen Konstellationen in der Innenverteidigung. Unsicherheiten taten sich auf, und Deutschland kassierte mehrfach schnelle Gegentore. Der wackligen Defensive würde Simon wohl eher kaum die nötige Stabilität geben. „Es ist einfach nur fair und leistungsgerecht“ Simon pokerte dennoch auf eine Nominierung, sagte im Interview mit „GMX“: „Ich habe natürlich noch Hoffnung, wenn ich bei Bayern weiter gute Leistungen bringe, dass ich dann womöglich noch meine Chance bekomme und mich zeigen kann.“ Ein Gespräch mit Bundestrainer Wück ließ bis dato allerdings auf sich warten. „Ich habe ihn schon mehrmals bei unseren Spielen auf der Tribüne gesehen, einen persönlichen Austausch hatten wir bisher aber noch nicht“, erklärte sie. Zwei Monate später setzt Wück nun an ihrer Stelle auf ihre Mitspielerin beim FC Bayern: Franziska Kett. Die 20-Jährige wurde im April erstmals für die deutsche Auswahl nominiert, kam in beiden Duellen gegen Schottland zum Einsatz. Während sie beim 4:0-Erfolg in Dundee ein gelungenes Debüt feierte, fand sie im Rückspiel in Nürnberg (6:1) jedoch nicht ins Spiel und wurde bereits in der Halbzeit ausgewechselt. Kett zeigte im Gegensatz zu Simon zunächst Defizite im Offensivspiel. Im Laufe des Hinspiels schaltete sie sich allerdings offensiv mehr und mehr ein und blieb gleichzeitig hinten stabil. Wück steht daher hinter seiner Entscheidung: „Ich glaube, es ist einfach nur fair und leistungsgerecht, wenn man den kompletten Lehrgang sieht gegen die Schotten, dass sie noch mal die Chance bekommt.“ Neben Kett, die in der Liga lediglich sieben Partien bestritt, wurde auch Linksverteidigerin Sarai Linder (VfL Wolfsburg) für die Nations-League-Duelle nominiert. „Es ist nun mal so, dass wir auf dieser Position maximal zwei Spielerinnen mitnehmen können“, sagte Wück; er hoffe, „dass die individuellen Fähigkeiten, die eine Linder und auch eine Kett haben, uns als Mannschaft mehr helfen“. Vize-Europameisterin Felicitas Rauch (North Carolina Courage), die zuletzt im Februar zum Kader gehört hatte, steht derzeit nur auf Abruf. Verletzung bremste sie lange aus Es ist das nächste Kapitel einer komplizierten Beziehung zwischen Carolin Simon und der Nationalmannschaft. Denn ihr letztes Länderspiel war bereits im Jahr 2023. Gegen Sambia absolvierte Deutschland im Juli das letzte Testspiel vor der Weltmeisterschaft. Die damalige Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg hatte Simon fest für das Turnier eingeplant – doch es kam anders. In der 95. Minute setzte die Profispielerin nach einem Zweikampf ungünstig auf und riss sich das Kreuzband – drei Tage vor der Abreise. In jener Nachspielzeit verpasste Simon nicht nur die Teilnahme an der WM, es war auch ihre letzte Chance, ihre Qualitäten im DFB-Dress unter Beweis zu stellen. Nun muss sie womöglich auch auf die EM 2025 verzichten. Ob Simon erneut im deutschen Team zum Zug kommt, bleibt abzuwarten. Zumindest auf ihren scheidenden Trainer Alexander Straus kann sie sich weiterhin verlassen: „Wir müssen viele gute Außenverteidigerinnen in Deutschland haben, wenn sie nicht in der Nationalmannschaft dabei ist“, sagte er im März.