Frauen-EM: Ann-Katrin Berger bestraft ihre Kritiker mit Ignoranz

Dass Ann-Katrin Berger bei der EM zum Dauerthema wird, haben wohl die wenigsten erwartet. Doch die Torhüterin weiß, mit ihren Kritikern umzugehen. Aus Zürich berichtet Kim Steinke Spätestens seit dem zweiten Gruppenspiel bei der Frauen-EM zwischen Deutschland und Dänemark (2:1) steht Ann-Katrin Berger im Mittelpunkt – allerdings nicht wegen spektakulärer Paraden. Vielmehr ist eine Diskussion wegen ihres Spielstils entbrannt: Ist die 34-Jährige noch die Richtige, um das deutsche Tor zu hüten? Ausgangspunkt waren zunächst einige riskante Dribblings im Aufbauspiel, gefolgt von teils ungenauen Pässen und fragwürdigen Entscheidungen unter Druck. Die Debatte verschärfte sich nach dem enttäuschenden 1:4 gegen Schweden, bei dem Berger gleich mehrfach unsicher wirkte. Ann-Katrin Berger : DFB-Torhüterin ist mit einer Nationalspielerin verlobt Warum Berger auch für ihren Opa spielt : „Sie denken vielleicht, dass er ein Verrückter ist“ Die Torhüterin von NY/NJ Gotham reagierte auf die Kritik an ihren Leistungen gelassen. Die Diskussionen in den Medien und sozialen Netzwerken gingen an ihr vorbei. „Seit ich Deutschland verlassen habe, lese ich keine Nachrichten mehr. In den sozialen Medien bin ich sowieso nicht mehr aktiv“, kommentierte Berger am Mittwoch auf der Pressekonferenz in Zürich die Diskussion um sie selbst. Viel mitbekommen hatte sie vorher nicht. „Was auch immer geschrieben wird, müssen Sie mir sagen“, sagte die 34-Jährige in Richtung der Journalisten. Zwei wechselhafte Sommer Bergers Unerschütterlichkeit kommt dabei nicht von irgendwoher. Zweimal besiegte sie Schilddrüsenkrebs – die erste Diagnose bekam sie 2017, die zweite im Jahr 2022. Auch sportlich hat sie bereits ihre Qualitäten unter Beweis gestellt. Im vergangenen Jahr lag Berger die Fußballwelt zu Füßen: Erst war die gefeierte Olympia-Heldin, nachdem sie Deutschland durch parierte Elfmeter im Viertelfinale gegen Kanada und im Spiel um Platz drei gegen Spanien zur Bronzemedaille führte, anschließend erhielt sie die Auszeichnung als Fußballerin des Jahres. Berger weiß, dass sie auch schwierige Phasen überstehen kann. Eine solche erlebt sie aktuell bei der EM. In der Schweiz ist sie aufgrund ihrer Spielweise die am meisten diskutierte Spielerin im Kader von Bundestrainer Christian Wück . Ihre aktive Beteiligung am Spielaufbau und ihr hohes Stellungsspiel sind mit einem gewissen Risiko verbunden – ähnlich wie bei Manuel Neuer . Geht es gut, macht Ann-Katrin Berger, die im Team meist „Anne“ genannt wird, damit einen Unterschied. Geht es schief, wird es sofort gefährlich. Beim 1:4 gegen Schweden leistete sich Berger beispielsweise zwei haarsträubende Pässe, die in einem Gegentor hätten enden können. Bereits nach drei mutigen Szenen im Spiel zuvor gegen Dänemark hatte Bundestrainer Wück ein Gespräch mit seiner Nummer eins angekündigt. Wenige Tage darauf versicherte der 52-Jährige, das Thema sei geklärt, eine Debatte nie aufgekommen. Intern ist die Diskussion um Berger weitaus kleiner als in der Öffentlichkeit. DFB-Sportdirektorin Nia Künzer stellte am Montag klar: „Wir schätzen Anne sehr. Bei uns gibt es keine Torwartdiskussion.“ Und auch Ex-Nationaltorhüterin Almuth Schult verteidigte Berger. Im SZ-Podcast „Und nun zum Sport“ lobte sie die Erfahrung und Spielintelligenz der Keeperin: „Sie hat Automatismen drin, die schwer zu adaptieren sind. Ihre Art, das Spiel mitzugestalten, kann nicht jede.“ „Ich denke nicht mehr darüber nach“ Berger bleibt in all dem ruhig. „Um es auf eine nette Art und Weise zu sagen: Interessiert mich eigentlich nicht, wer irgendwie außerhalb vom Fußballrand kritisiert“, erklärte Berger am Mittwoch: „Ich bin von Natur aus ein sehr kritischer Mensch, deshalb brauche ich nicht wirklich von jemandem, der nie im Tor stand, Kritik zu hören.“ Trotz einzelner Aussetzer bleibt Berger für das Trainerteam gesetzt. Ihre Ausstrahlung, ihre Präsenz und ihre Fähigkeit, das Spiel zu lesen, werden geschätzt. Sie selbst zweifelt nicht an ihrer Rolle. „Manche Bälle würde ich wieder so spielen“, sagte Berger rückblickend auf die strittigen Szenen in der EM-Gruppenphase. Die Kommunikation mit ihren Vorderleuten sei teilweise nicht optimal gewesen, aber verunsichern lasse sie sich nicht – „Wovon auch?“ Berger liebe den Fußball und spiele ihn auf ihre Art und Weise. Sie bleibt sich treu und lässt sich weder von Zwischenrufen noch von Debatten aus der Ruhe bringen. Während um sie herum über Fehler diskutiert wird, konzentriert sie sich auf das nächste Spiel. „Nach der Analyse habe ich damit jetzt abgeschlossen. Ich denke nicht mehr darüber nach“, so Berger. Der Fokus der 34-Jährigen liege einzig und allein auf ihr selbst und ihre Mannschaft – sowie dem EM-Viertelfinale am Samstag gegen Frankreich (ab 21 Uhr im t-online-Liveticker).