Beim FC Liverpool ist Florian Wirtz noch nicht vollends angekommen. Wirkt sich das auf seine Leistung in der Nationalelf aus? Der Bundestrainer hat dazu eine klare Meinung. Aus Bratislava berichtet William Laing Hinter Florian Wirtz liegen die wohl aufwühlendsten Monate seiner noch jungen Fußballkarriere. Über weite Strecken des Frühjahrs bestimmte rund um den 22-Jährigen ein Thema die Schlagzeilen: Für welchen Verein wird Wirtz in der kommenden Saison auf dem Platz stehen? Als Topfavorit auf eine Verpflichtung galt der FC Bayern , der in Person von Ehrenpräsident Uli Hoeneß öffentlich überaus offensiv seine Transferbemühungen um Wirtz kundtat, sich aber Ende Mai eine für viele Fans und Experten überraschende Abfuhr einhandelte. Wirtz hatte sich doch tatsächlich anders entschieden: gegen die Münchner und im gleichen Atemzug für den FC Liverpool . Der englische Meister überwies für den Nationalspieler die bis dato auf der Insel noch nie gezahlte Sockelablöse von 125 Millionen Euro an Bayer Leverkusen . Doch Wirtz‘ außergewöhnliches Talent blitzte in den ersten Wochen im Trikot der „Reds“ selten bis gar nicht auf. Im Liverpooler Starensemble wirkte er insbesondere bei seinen Auftritten in der Premier League noch überfordert. Wirtz, das war zuletzt unverkennbar, ist aktuell noch weit entfernt von seiner Weltklasseform aus Leverkusener Zeiten. Ein Umstand, der mit Blick auf seine tragende Rolle in der deutschen Nationalmannschaft kurz vor dem Start in die WM-Qualifikation durchaus Sorgen bereitet und zu dem dementsprechend auch der Bundestrainer Stellung bezog. Nagelsmanns Erwartung: Wirtz „darf gerne funktionieren“ Am Mittwochabend nahm Julian Nagelsmann im Presseraum des Národný futbalový štadión Platz. Hier, im Norden von Bratislava, trifft die deutsche Auswahl am Donnerstagabend auf die Slowakei (ab 20.45 Uhr im Liveticker bei t-online). Mit einem Auswärtssieg will das DFB-Team den ersten Schritt Richtung Weltmeisterschaft in den USA, Kanada und Mexiko 2026 und damit parallel auch den ersten Schritt in Richtung WM-Titel machen. Florian Wirtz soll bei diesem Vorhaben eine der Schlüsselfiguren sein. Dementsprechend gibt es für den offensiven Mittelfeldspieler nach seinem durchwachsenen Start in Liverpool mit nur einem Scorerpunkt in vier Pflichtspielen in diesen Tagen auch keine Art der Schonfrist, wie Julian Nagelsmann bei der Pressekonferenz vor dem Quali-Auftakt klarstellte. „Ich lasse keine Nachsicht walten“, sagte der Bundestrainer auf eine entsprechende Frage von t-online. Wirtz sei einer der wichtigsten Spieler der Mannschaft. „Der darf gerne funktionieren“, formulierte Nagelsmann unmissverständlich seine Erwartungshaltung an den Offensivstar. „Aber das wird er auch“, zeigte der 38-Jährige sich optimistisch und stärkte seinem Spieler damit gleichzeitig demonstrativ den Rücken. Was der Bundestrainer zusätzlich in der Causa Wirtz betonte: „Ich fand jetzt die Auftritte in Liverpool nicht unfassbar dominant, aber jetzt nicht so negativ, wie Sie sie sehen.“ Nagelsmann verwies auf die vielen Stars im Team des englischen Spitzenklubs sowie die teuren Neueinkäufe, die der Verein in diesem Sommer getätigt hatte. Neben Wirtz waren für Liverpool in den bisherigen Saisonspielen unter anderem Hugo Ekitiké (95 Millionen Euro/Frankfurt), Jeremie Frimpong (40 Millionen Euro/Leverkusen) und Milos Kerkez (47 Millionen Euro/Bournemouth) zum Einsatz gekommen. Am „Deadline Day“ kam dann auch noch Alexander Isak für 145 Millionen Euro aus Newcastle. „Da stichst du, glaube ich, als Einzelner nicht immer so extrem raus“, analysierte Nagelsmann die für Wirtz neue Situation. In Leverkusen hätte der Fokus mehr auf ihm gelegen. „Jetzt ist es schon so, dass da schon noch ein paar andere Top-Stars spielen, auf die es sich auch fokussiert.“ Heißt: Wirtz ist in Liverpool nur ein Ausnahmekönner von vielen. Vieles hängt jetzt an Wirtz – trotz Anlaufproblemen In und um die deutsche Nationalmannschaft hat sich Wirtz‘ Ansehen trotz dieser Rollenverschiebung auf Vereinsebene aber offenbar keinen Zentimeter in die falsche Richtung bewegt. Vielmehr ist er weiterhin das Epizentrum der Hoffnung auf den ganz großen Wurf im kommenden Jahr. Auch, weil mit seinem kongenialen Partner Jamal Musiala der zweite offensive Unterschiedsspieler im DFB-Team noch mindestens bis November verletzt ausfallen wird und nicht klar ist, wie schnell der Bayern-Akteur nach seiner Rückkehr wieder in die Spur findet. Vieles hängt deshalb an Wirtz – trotz der Anlaufprobleme in Liverpool. Die empfindet Nagelsmann jedoch ohnehin nicht als ungewöhnlich. Es sei „ganz normal“, diese bei einem neuen Verein, in einer neuen Kultur und einer neuen Liga zu haben. Wirtz werde für den Klub „tolle Spiele machen, Tore schießen, Tore vorbereiten“, zeigte sich der Bundestrainer zuversichtlich und verknüpfte diese Zukunftsvision gleich mit einer kleinen Forderung an seinen Spieler hinsichtlich der Nationalelf. „Morgen kann er gerne bei uns dann da anfangen und gerne diese beiden Dinge auch hier machen“, so Nagelsmann mit Blick auf die Partie gegen die Slowakei. Es wäre für Florian Wirtz wohl die perfekte Antwort auf unbefriedigende erste Wochen bei seinem neuen Klub. In Bratislava hat er nun also die Chance, eine entscheidende Portion Selbstvertrauen zu tanken: zum einen, um als eine Säule des Teams die deutsche Nationalmannschaft in den kommenden Monaten zur WM zu führen. Zum anderen, um endlich auch beim FC Liverpool zu glänzen.