„Ich geile mich daran auf“ – Der MSV Duisburg pulverisiert als Aufsteiger Rekorde en masse

„Man kann auf jeden Fall sagen, dass der Abstieg dem MSV Duisburg zumindest auf Strecke nicht geschadet hat“, ließ Geschäftsführer Michael Preetz kürzlich bei Reviersport verlauten. Die rein sportliche Strecke in dieser Saison beträgt bislang fünf Spiele – und auf der hat die Mannschaft der Zebras den langjährigen Manager von Hertha BSC außerordentlich bestätigt.

Der MSV schreibt derzeit nämlich in der 3. Liga nichts anderes als deutsche Fußball-Geschichte. Der Aufsteiger, der vor etwas mehr als einem Jahr durch den ersten Abstieg aus dem Profifußball seit 1989 noch krachend auf dem Boden der Tatsachen aufschlug, hat bei einem Torverhältnis von 14:5 alle bisherigen fünf Partien gewonnen.

Damit stellten die Duisburger gleich mehrere Bestmarken auf: Drei Siege zum Start bedeuteten den besten Saisonbeginn der eigenen Drittliga-Historie, vor der Länderspielpause war mit Dreier Nummer vier dann auch der beste Saisonstart eines Aufsteigers pulverisiert. Mit dem Heimsieg gegen Wehen-Wiesbaden am vergangenen Wochenende schob sich der MSV schließlich auch noch auf Platz eins in Sachen bester Saisonstart eines Drittliga-Teams überhaupt vor.

„Ich geile mich daran auf und ich hoffe, dass sich die Jungs auch daran aufgeilen. So spielen wir uns in einen Rausch“, sagte Verteidiger Can Coskun zuletzt. Beachtlich: Duisburg, das gegen den SVWW sechs Verletzte zu beklagen hatte, weist bereits fünf Punkte Vorsprung auf die Plätze zwei und drei auf und erzielte schon acht Jokertore.

MSV-Trainer Dietmar Hirsch: Punkteschnitt von 2,48

„Es ist harte Arbeit, Fleiß, Teamgedanke und Einstellung“, sagte Trainer Dietmar Hirsch über die Erfolgsserie bei MagentaSport. Der ehemalige MSV-Profi (157 Spiele von 1995 und 2000), der mit dem Klub einst das DFB-Pokal-Finale gegen den FC Bayern München verlor, steht seit dem Abstieg in die Regionalliga West an der Seitenlinie – bei einem Punkteschnitt von 2,48 nach 46 Pflichtspielen.

„Ich bin kein Laptop-Trainer“, sagte Hirsch einmal. Er legt vielmehr Wert auf klassische Tugenden: eine stabile Defensive, viel Laufarbeit, Mentalität und Intensität. Oder anders ausgedrückt: „Wir erwarten hier Ruhrpott-Fußball. Dafür muss man auch andere Dinge als nur Talent reinwerfen. Das ist für manche Neuzugänge eine Schwierigkeit. Wer alles reinhaut, der bekommt alles von mir, wer das nicht tut, bekommt Probleme. Auch wenn er in der Vergangenheit seine Qualität bewiesen und geliefert hat. Wir erwarten hier rennen, fighten, Arsch aufreißen!“

Dass das auch in der neuen, alten Liga gut klappt, belegen beispielsweise Partien wie gegen Ulm und Verl. Beide Begegnungen entschieden die Zebras erst in der Nachspielzeit für sich. Besonders dramatisch ging es beim Auftritt bei den Ostwestfalen zu: Duisburg lag bis zur 81. Minute noch 0:2 zurück – elf Minuten später war der 3:2-Erfolg perfekt.

Vorbilder Elversberg, Ulm, Münster: Gelingt dem MSV der Durchmarsch?

Ereignisse und Ergebnisse wie diese helfen ungemein dabei, dass Preetz‘ eingangs zitierte Aussage unterfüttert wird. Duisburg schwimmt weiter auf einer Welle riesiger Euphorie, die auch vom sensationellen Zuspruch der Fans getragen wird. Bereits in Liga 4 stellten die auch sehr reisewütigen Anhänger Zuschauerrekorde auf, am Dienstagabend werden 800 Fans nach 400 Kilometern Fahrt im Gästeblock beim Aufsteiger-Duell gegen Schweinfurt stehen.

„Was wir gerade abreißen, zusammen in der Stadt mit den Fans, das muss man einfach erleben“, sagte Coskun kürzlich. Coach Hirsch nennt die fortwährende Aufbruchstimmung „kontrollierte Euphorie“. Ein ähnliches Phänomen hat in den vergangenen Jahren schon Aufsteiger wie Elversberg, Ulm oder Münster zum Durchmarsch in die 2. Liga beflügelt.

Wohltuender Effekt des sportlichen Laufs ist natürlich auch die gewisse wirtschaftliche Stabilität, die der Klub dringend benötigt. Zum Vergleich: Das Fernsehgeld in Liga 4 betrug eine Million Euro – nun nimmt man zehn Millionen ein. „Es ist uns gelungen, die Menschen wieder vermehrt hinter den Spielverein zu bringen. Die, die natürlich sowieso großes Interesse am Wohlergehen des Klubs haben, aber auch die, die am Ende der Abstiegssaison enttäuscht und verärgert waren“, sagte Preetz. „Das hat die Bande noch einmal enger geknüpft. Das gilt auch für unsere Partner und Sponsoren. Da ist die Entwicklung der letzten zwölf Monate wirklich erfreulich.“

MSV Duisburg in einem Atemzug mit dem FC Bayern zu nennen

Doch man könnte den Bogen auch größer spannen. Seit dem Abstieg aus der Bundesliga im Jahr 2000 ging es für die Zebras eigentlich kontinuierlich bergab, eine solch lange Phase sportlichen Erfolgs und positiver Grundstimmung rund um den Klub hat es seit Ewigkeiten nicht mehr gegeben.

Bereits jetzt hat der MSV mehr Punkte gesammelt als in der kompletten Hinrunde der Abstiegssaison 2023/24. Selbst in einem Atemzug mit dem FC Bayern wird man derzeit genannt, denn neben dem Rekordmeister ist Duisburg der einzige Verein aus den ersten drei Ligen, der noch keinen Punktverlust zu beklagen hat.

„Wahnsinn von der Wedau“ beim MSV Duisburg

Mit Blick auf die Charakter- und Formstärke des mit immer breiterer Brust auftretenden Teams ist in naher Zukunft sogar noch mehr denkbar. Duisburg bekommt es nun mit den Mitaufsteigern Schweinfurt und Havelse zu tun, die aktuell am Tabellenende stehen. Danach wird sich zeigen, wie stark der MSV wirklich ist, denn dann warten Kaliber wie Saarbrücken, Rostock, 1860 München und Essen.

„Eines ist ja klar: Diese Phase wird todsicher kommen, dafür ist die 3. Liga einfach zu eng“, weiß Preetz, dass auch Rückschläge einzuplanen sind. Man erinnere sich nur an den SV Sandhausen in der Vorsaison, der nach elf Spieltagen Tabellenführer war – und am Ende abstieg. Doch momentan ist der „Wahnsinn von der Wedau“, wie am Wochenende auf einem Banner im Stadion zu lesen war, erst einmal noch Programm.