BVB: Droht ein neuer Missbrauchsskandal im Jugendbereich?

Konnte ein Klub-Funktionär über Jahre unbehelligt Jugendspieler missbrauchen? Ein Enthüllungsbericht offenbart Details. Borussia Dortmund droht offenbar ein Missbrauchsskandal. Der Ruhrpottklub steht im Zentrum einer Recherche der „Bild“ zu Missbrauchsfällen im Nachwuchsbereich des Vereins. Dem Blatt liegen eigenen Angaben zufolge Unterlagen vor, die belegen sollen, dass mögliche Übergriffe auf Jugendspieler seit den 1970er-Jahren bis heute nicht umfassend aufgearbeitet wurden. Mehr noch: Dortmund soll im Gegenteil sogar versucht haben, die Verdachtsfälle nicht öffentlich werden zu lassen. Im Zentrum der Vorwürfe stehe dem Bericht zufolge ein langjähriger „mächtiger Spitzen-Manager“ des Klubs, der nicht namentlich genannt wird. Laut Unterlagen war die Vereinsführung spätestens im April 2010 über die Anschuldigungen informiert. Damals habe die Klubführung um Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke ein Schreiben des Opferanwalts Thorsten Kahl erreicht, in der Betreffzeile habe nur „Missbrauch“ gestanden. Kahl habe einen früheren Dortmunder Jugendspieler vertreten, der sich nach Medienberichten über die Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche dazu entschlossen hatte, seine eigene Vergangenheit aufzuarbeiten. Die geschilderten Übergriffe hätten zu diesem Zeitpunkt bereits etwa 20 Jahre zurückgelegen und waren damit strafrechtlich verjährt. „Perspektivgespräche“ im Haus des Managers Der betreffende Ex-Manager habe sich dem Jugendspieler laut Kahl wiederholt genähert und Erfolg oder Scheitern seiner Profikarriere an „Liebesdienste“ geknüpft. Mehrfach sei der Satz gefallen: „Du willst doch Profi werden.“ Kahl habe dem BVB damals ein fünfseitiges Protokoll mit Schilderungen der Vorfälle übergeben. Die Schilderungen sind demnach ausführlich: Der Beschuldigte habe sich „ständig“ in der Kabine der Jugendspieler aufgehalten, habe ihnen beim Umziehen und Duschen zugeschaut. Der von Kahl vertretene Spieler sei von ihm zu „Perspektivgesprächen“ in Restaurants und das Privathaus des Managers eingeladen worden. Dort sei es dann zu sexuellen Übergriffen gekommen, „zu Umarmungen, versuchten Küssen und Berührungen im Genitalbereich“, heißt es im Bericht der „Bild“. Watzke, damals schon Geschäftsführer der Profiabteilung, habe dem Anwalt umgehend geantwortet und auf Reinhard Rauball verwiesen, damals Präsident des verantwortlichen Stammvereins. Aus den Unterlagen gehe dem Blatt zufolge hervor, dass Rauball dann die Angelegenheit übernahm. Jedoch: Rauball habe Anwalt Kahl zwar zu einem Gespräch nach Dortmund eingeladen – aber ausdrücklich ohne Anwesenheit des Betroffenen. Rauball „trat sehr arrogant auf, wies jegliches Fehlverhalten zurück“, zitiert die Zeitung Kahl. Solch ein Verhalten sei aus seiner Sicht „damals eine typische Reaktion von betroffenen Organisationen wie der Kirche, Internaten und Sportvereinen“ gewesen. Auf Anfrage der „Bild“ habe Dortmund nun geantwortet, dass der beschuldigte Manager bei einer internen Befragung alle Vorwürfe zurückgewiesen habe. Dies sei damals auch Anwalt Kahl mitgeteilt worden. Und weiter: Der Vereinsvorstand um Rauball habe den Beschuldigten dann aufgefordert, bis zur Klärung des Falls nicht mehr für den Verein tätig zu sein, und zudem ein Zutrittsverbot für sämtliche Einrichtungen des Klubs ausgesprochen. Erst 2023 habe sich der Umgang des BVB mit der Person geändert In der Folge habe sich der Beschuldigte mit dem Betroffenen getroffen, dabei sei vereinbart worden, dass er die Anwaltskosten des früheren Jugendspielers übernehme. „Die haben Geld bezahlt, um die Sache nicht nach außen zu tragen“, vermutet Kahl demnach. Kurz darauf sei der Manager schrittweise wieder stärker in den Klub eingebunden worden – nach Vereinsangaben aber ohne „institutionalisierten Kontakt zu Nachwuchsspielern“. Allerdings sollen auch in der Folge Vorwürfe gegen den Funktionär erhoben worden sein, laut „Bild“ berichteten dies mehrere BVB-Mitarbeiter unabhängig voneinander. Erst 2023 habe ein Umdenken stattgefunden – weil sich ein weiteres Opfer bei Dortmund gemeldet habe. Der Betroffene sei nach eigenen Angaben vom Beschuldigten vor Jahren sexuell missbraucht worden. Dieser habe damals „zahlreiche Minderjährige mit VIP-Karten für Dortmund-Spiele zu sich gelockt und missbraucht“. Erst infolge dieser neuerlichen Vorwürfe habe der BVB dann gehandelt und den Mann nach Jahrzehnten aus dem Klub geworfen. Watzke sei es gewesen, der für den Ausschluss gesorgt habe. Auf Anfrage der „Bild“ habe der Beschuldigte am Telefon geantwortet, dass die Vorwürfe „Blödsinn“ seien. Er werde sich zu den Vorwürfen nicht äußern. Wichtig dabei: Keiner der Vorwürfe sei bis heute zweifelsfrei erwiesen, schreibt die Zeitung weiter. Auch habe keines der mutmaßlichen Opfer Anzeige erstattet. Rauball ließ die Fragen der „Bild“ zum Sachverhalt indes unbeantwortet.